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Meilensteine und neue Therapien

Meilensteine und neue Therapien

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Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Bis heute ist Morbus Parkinson nicht heilbar, doch die Forschung konzentriert sich verstärkt auf neue Therapien, um die Ursachen der neurodegenerativen Erkrankung ausmachen zu können. Zur genauen und frühzeitigen Diagnose gilt es unter anderem neue Biomarker zu bestimmen und erste Symptome richtig zu deuten. Erfahren Sie hier, welche aktuellen Erkenntnisse dazu beitragen sollen, dass der Verlauf der Parkinsonerkrankung verlangsamt und der Alltag der Betroffenen gleichzeitig erleichtert wird. 

 

Meilensteine der Forschung

Als sich Ende 2024 der Todestag von Dr. James Parkinson (1755–1824) zum 200. Mal jährte, kam die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen e.V. (DPG) zu dem Schluss, dass Wissen allein bis heute nicht heile – es brauche mehr Investitionen in die Fortschritte der Forschung. Die Erkenntnisse des britischen Arztes gerieten erst 60 Jahre nach seinem Tod dank des französischen Neurologen Jean-Martin Charcot in den Fokus der Öffentlichkeit; weitere Jahrzehnte später ist mit der Entdeckung des Dopaminmangels als Parkinson-Ursache der nächste Meilenstein in der Erforschung zu verzeichnen (1960er-Jahre). Es folgten die Einführung der tiefen Hirnstimulation (THS) in den späten 1980er-Jahren zur Verbesserung der Lebensqualität vieler Betroffener sowie die Identifizierung genetischer Faktoren und Mutationen, die ab den 1990er-Jahren neue therapeutische Ansatzpunkte ermöglichten. Anlässlich des 200. Todestages von James Parkinson hielt Prof. Joseph Claßen, zweiter Vorsitzender im Vorstand der DPG, fest: „In diesem Jahr gab es einige wegweisende Veröffentlichungen, die uns zuversichtlich stimmen, dass wir den Patientinnen und Patienten in wenigen Jahren neue Therapien anbieten können.“ Die Erkenntnisse der letzten Jahre hätten die Medizin laut Claßen einer kausalen Therapie so nahegebracht wie nie zuvor: „Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, benötigen wir dringend zusätzliche Fördermittel."

parkinson-gesellschaft.de

 

REM-Schlaf-Verhaltensstörung

Bei der Forschung rund um die Früherkennung von Parkinson rückt aktuell die REM-Schlaf-Verhaltensstörung (engl.: REM-sleep behavior disorder – RBD) verstärkt in den Fokus der Wissenschaft. Die REM-Phase („Rapid Eye Movement“) ist gekennzeichnet von schnellen Augenbewegungen des Schlafenden und stellt das nächtliche Stadium mit den lebhaftesten Träumen dar. Eine Verhaltensstörung liegt vor, wenn die betroffene Person in dieser Phase unentspannt ist, Träume aktiv auslebt und im Schlaf unter Umständen gar schreit, spricht oder Bewegungen ausführt. Dieses Verhalten nehmen die schlafenden Menschen in den meisten Fällen nicht wahr. Tatsächlich gilt die RBD als Vorstufe der Parkinson-Krankheit und wird daher als maßgebliches Frühsymptom angesehen: Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft verweist darauf, dass ein Risiko von bis zu 80 Prozent besteht, innerhalb von 10 bis 15 Jahren an einem neurodegenerativen Leiden wie Parkinson oder der Lewy-Körper-Demenz zu erkranken, wenn die RBD isoliert auftritt. Und weiter: „Wer an einer REM-Schlaf-Verhaltensstörung leidet, darüber hinaus eine Riechstörung hat und merkt, dass er vergesslicher wird oder sich nicht mehr so gut orientieren kann wie früher, sollte sich ärztlichen Rat holen.“ Hier seien Neurologinnen und Neurologen, idealerweise mit einer Spezialisierung im Bereich Schlafstörungen, die richtigen Ansprechpartner.    

deutsche-alzheimer.de

 

Hunde erschnüffeln Parkinson

Ist Parkinson am Geruch zu erkennen? Tatsächlich berichten Forschende im Fachblatt Journal of Parkinson’s Disease davon, dass speziell trainierte Hunde anhand von Hautabstrichen zuverlässig ermitteln können, ob ein Mensch an der neurodegenerativen Erkrankung leidet. Vor allem für die Früherkennung ist das ein bedeutsamer Schritt: In einem ersten Versuch gelang es zwei Hunden – ein Golden Retriever und ein schwarzer Labrador – aus über 200 Geruchsproben mit einer beeindruckenden Trefferquote Unterschiede zwischen erkrankten und gesunden Menschen zu erschnüffeln. Das federführende Unternehmen Medical Detection Dogs aus England verfolgt das Ziel, schnellere, effizientere und weniger invasive diagnostische Verfahren zu entwickeln, die gleichzeitig zu besseren Behandlungsergebnissen führen. Ein Frühtest für Morbus Parkinson existiert bislang nicht – tatsächlich aber ist es möglich, dass erste Symptome bereits 20 Jahre vor den später sichtbaren und anhaltenden Einschränkungen der Erkrankung auftreten.

medicaldetectiondogs.org.uk

 

Neuer Biomarker für Parkinson

Da Parkinson bis heute lediglich symptomatisch behandelbar ist, genießt die Arbeit an ursächlichen Therapien in der Forschung einen hohen Stellenwert. Die Identifikation von Biomarkern stellt dabei einen wichtigen Schlüssel dar, um neue klinische Studien voranzutreiben. Biomarker sind messbare Merkmale im Körper, die als Indikator für normale oder abnormale Prozesse, Krankheiten oder die Reaktion auf eine Behandlung dienen. Unlängst konnte die Deutsche Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen (DPG) vermelden, dass Alpha-Synuclein in der Rückenmarksflüssigkeit ein zuverlässiger früher Biomarker für Parkinson ist. Dieser gebe bestenfalls Aufschluss über das Fortschreiten der Erkrankung und die Wirkung einer Therapie. Zeigen konnte das laut DPG ein Forscherteam, „an dem Prof. Lars Tönges (Bochum) und Prof. Brit Mollenhauer (Kassel / Göttingen) aus dem DPG-Vorstand beteiligt waren. In zwei unabhängigen klinischen Studien mit insgesamt 134 Teilnehmenden haben sie mithilfe der iRS-Technologie (Immuno-Infrarot-Sensor), die für die Alzheimer-Diagnostik entwickelt wurde, Parkinson mit einer Genauigkeit von über 90 % diagnostiziert.“ Laut der Gesellschaft könnte die iRS-Technologie nicht nur die Diagnose verbessern, sondern auch die Entwicklung neuer Therapien beschleunigen, indem sie die Wirksamkeit von Behandlungen in klinischen Studien überwacht.

parkinson-gesellschaft.de

 

Prominent und Parkinson

Wenn berühmte Menschen öffentlich machen, dass sie an Parkinson erkrankt sind, dient dies immer auch der Aufklärung und Forschung. Bekannte Beispiele sind etwa die US-amerikanische Boxlegende Muhammad Ali († 2016), der kanadische Schauspieler Michael J. Fox, A-Ha-Sänger Morten Harket oder der im Juli 2025 verstorbene britische Rockmusiker Ozzy Osbourne. Auch hierzulande berichten prominente Patientinnen und Patienten über ihr Leben mit Parkinson, etwa der Moderator Frank Elstner, der Schauspieler Ottfried Fischer oder die Sängerin Ute Freudenberg. Sie alle vereint der offene Umgang mit der Erkrankung, sei es in Form von Interviews, Buchveröffentlichungen oder auch Stiftungsgründungen. Betroffene schöpfen daraus neuen Mut.      

 

Tiefe Hirnstimulation lindert Parkinson-Beschwerden

Vor allem in den ersten Jahren einer Parkinson-Erkrankung zeigt die Behandlung mit Medikamenten eine sehr gute Wirkung. Lässt diese im späteren Verlauf jedoch nach, sind verstärkt Einschränkungen durch Muskelsteifheit, unkontrollierte Bewegungen und anhaltendes Zittern (Tremor) nicht selten. Werden für Betroffene diese Symptome im Alltag immer mehr zur Belastung, kann die sogenannte tiefe Hirnstimulation unter Umständen hilfreich sein. Bei der „Hirnschrittmacher“-Operation werden an den äußeren Enden unter der Kopfhaut ein oder zwei Elektroden befestigt und schließlich durch die Schädeldecke tief in das Gehirn eingeführt. Dank elektrischer Impulse an bestimmte Zentren im Gehirn sendet der Schrittmacher regelmäßig schwache Stromstöße. Mittlerweile kommen auch kompaktere Geräte zum Einsatz: Am Universitätsklinikum Münster (UKM) wurde im Frühjahr 2025 einem Patienten ein neuartiges System zur Tiefen Hirnstimulation implantiert. In einer Pressemitteilung ist vom UKM zu erfahren: „Die neue Hardware verfügt im Vergleich zu Vorgängermodellen über deutlich mehr Leistung – muss also statt wöchentlich nur einmal monatlich aufgeladen werden.“ Dies funktioniere problemlos zuhause mithilfe eines Ladegerätes, das an einem Gurt um die Brust gespannt wird, weshalb eine Integration in den Alltag garantiert sei. „Gleichzeitig ist der Schrittmacher deutlich kleiner, wird von Patientinnen und Patienten also als weniger störend empfunden“, weiß man am Universitätsklinikum.         

ukm.de

 

Box-Workshops für Betroffene

Sport und Bewegung stellen einen zentralen Bestandteil der Parkinson-Therapie dar: Während die eingesetzten Trainingsformen die motorischen Fertigkeiten stärken, wird der Krankheitsverlauf gleichzeitig positiv beeinflusst. Aus diesem Grunde hat die Parkinson Stiftung im Frühjahr 2025 in Köln erstmals den Workshop „Boxen für Parkinson-Patienten“ organisiert. Die Stiftung möchte mehr Menschen für Sport begeistern und mit dem Angebot einer Trainerausbildung wichtige Schritte tätigen: „Wir glauben, dass Bewegung der Schlüssel zu einer besseren Lebensqualität für Menschen mit Parkinson ist“, sagt Prof. Jens Volkmann, erster Vorsitzender der Parkinson Stiftung mit Sitz in Berlin. An den Workshops nahmen neben Physio- und Ergotherapeuten auch Ärztinnen und Ärzte sowie Betroffene teil. Prof. Jens Volkmann: „Dieser Workshop bot eine hervorragende Gelegenheit, wertvolle Kenntnisse und praktische Fähigkeiten zu vermitteln, um Menschen mit Parkinson besser unterstützen zu können und um neue Ansätze für die therapeutische Versorgung zu erlernen.“ Weitere Termine und Veranstaltungen sind eingeplant.     

parkinsonstiftung.de/trainerworkshop

 

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Ausgabe: 03/2025

Titelthema – Demenz und Parkinson: Mitten im Leben