Wer die Lebensgeschichte eines Menschen mit Demenz kennt, kann dieses Wissen nutzen, um die zu pflegende Person in ihrer Identität, ihrem Wohlbefinden und der allgemeinen Lebensqualität zu fördern. Das Arbeiten mit biografischen Eckdaten und positiven Erinnerungen ermöglicht die personalisierte Betreuung und stärkt vorhandene Ressourcen der Erkrankten. Kleine Merkhilfen erleichtern zudem den Alltag mit Demenz und wirken dem Abbau der geistigen Fähigkeiten ein wenig entgegen.
Biografiearbeit

Das kreative Arbeiten unter Einbezug von Erinnerungen kann bei Menschen mit Demenz wichtige Fähigkeiten aktivieren, die auf die Konzentration, Fein- und Grobmotorik, Kommunikation sowie Phantasie der Patienten abzielen. Dazu zählen beispielsweise das Betrachten von Fotoalben oder erzählerische Reisen in die Vergangenheit. Auch alte Ansichtskarten von früheren Wohn- oder Urlaubsorten können für positive Erinnerungen sorgen. Das kontinuierliche Erfassen und Fortschreiben der Biografie macht es darüberhinaus möglich, auf individuelle Wünsche und Bedürfnisse des zu pflegenden Menschen einzugehen. Wer dessen Geschichte(n) kennenlernt, ist in der Lage, besser auf die unterschiedlichen Stärken, Schwächen und Verhaltensweisen einzugehen. Gleichzeitig erleichtert das Wissen um die jeweilige Biografie den Aufbau von Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit.
Einfache Puzzles und Spiele

Zur Förderung der kognitiven Fertigkeiten bieten sich Groß-Puzzles oder Spiele wie Memory und Bingo an. Neben dem Trainieren der Motorik und des Gedächtnisses steht dabei auch der Spaß am Raten im Mittelpunkt. Tatsächlich ist mittlerweile eine große Anzahl an speziellen Demenzspielen im Handel erhältlich. Dabei gilt es verschiedene Kriterien zu beachten: Das Vermeiden von verschluckbaren Kleinteilen sorgt für Sicherheit; auch sollten sich die eingesetzten Spiele stets am jeweiligen Fähigkeitsniveau orientieren. Unterschiedliche Farben, Formen und Aufgaben sorgen bei den Teilnehmenden für Stimulation – idealerweise findet auch eine sinnliche Anregung durch Berührung, Sehen und Hören statt. Ebenso wichtig: Leistungsdruck ist beim gemeinsamen Spielen mit Demenzerkrankten fehl am Platz. Vielmehr motivieren Lob und Anerkennung sowie angepasste Regeln die Mitspielerinnen und Mitspieler. Übrigens: Auch demenzgerechte Apps und Spiele fürs Tablet erfreuen sich längst einer großen Beliebtheit.
Vertraute Musik
Das Hören von vertrauten Liedern und das gemeinsame Singen stellen wichtige Genussmomente für Menschen mit Demenz dar. Dabei kann es sich zum Beispiel um Weihnachts-, Kirchen- oder Kinderlieder handeln. Musik also, die der erkrankten Person in früheren Jahren etwas bedeutet hat oder an bestimmte Begebenheiten erinnert. Denn trotz der Einschränkungen, die eine Demenz mit sich bringt, sind solcherlei Wohlfühlmomente durchaus möglich. Das Hören von Lieblingsliedern eignet sich hier ganz besonders, stellt Musik doch einen wichtigen Bestandteil unserer Biografie dar. Zudem wird sie an Orten des Langzeitgedächtnisses gespeichert, die weniger stark von einer Demenz betroffen sind. Positive Erfahrungen und Gefühle lassen sich bestenfalls reaktivieren; neben Entspannung und Rührung sind auch Gespräche oder – falls möglich – das Mittanzen denkbar.
Tierbesuche

Zwischen Menschen mit Demenz und Tieren kann eine ganz besondere Verbindung entstehen, denn mittels Streicheln und Berühren findet dabei die Kommunikation auf der nonverbalen Ebene statt. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft konkretisiert die Vorteile des Kontaktes mit Tieren: „Er vermittelt einem Menschen, der unter dem Verlust seiner geistigen Fähigkeiten leidet, Wärme und Geborgenheit, ein Gefühl des Angenommen- und Verstandenseins, unabhängig von Aussehen, Verhalten oder kognitiver Leistungsfähigkeit.“ Ein weiterer Vorteil: Stations-, Besuchs- und Therapietiere wie Hunde und Katzen sorgen für Normalität und verleihen dem Alltag mehr Leichtigkeit. Gleiches gilt für Besuche in (Streichel-)Zoos. Ist eine Person trotz Demenz noch in der Lage, bei der Versorgung eines Tieres mitzuhelfen, übernimmt sie eine sinnstiftende Aufgabe und erlebt sich dabei selbst nicht ausschließlich als Empfänger von Unterstützung, sondern als Mensch, der auch etwas geben kann. „Tiere wirken kognitiv stimulierend; sie regen Erinnerungen an die Kindheit an und erzeugen so eine positive Gefühlslage“, so die Deutsche Alzheimer Gesellschaft weiter. „Sie sind Erinnerungsanker und Orientierungshilfe und helfen, den Tag zu strukturieren.“
Merkhilfen im Alltag

Im Frühstadium einer Demenz ist es durchaus möglich, dem Abbau geistiger Fähigkeiten mit einem aktiven Gedächtnistraining entgegenzuwirken. Klassiker wie Post-its, To-do-Listen und Kalender dienen dabei im Alltag als Erinnerungsstütze. Wichtig ist es dabei, die Merkhilfen gut sichtbar zu platzieren, also auf Augenhöhe oder an häufig frequentierten Plätzen. Werden von Demenzerkrankten Alltagsgegenstände wie Zahnbürsten, Handtücher oder Kleidung verlegt oder verwechselt, bietet sich hier eine farbliche Markierungen und Trennungen an. Auch für die Tabletteneinnahme existieren praktische Alltagshilfen: Automatische Tablettenspender erinnern per akustischem Signal an die Einnahme, während die einzelnen Fächer mit einem Verschlussmechanismus gesichert sind – die Entnahme ist somit nur zu den vorab programmierten Einnahmezeiten möglich. Ist die Bedienung eines Smartphones oder Tablets noch möglich, bieten sich digitale Kalender mit akustischen Signalen zur Terminerinnerung an.
Erinnerungskoffer
Ein wertvolles Werkzeug bei der Beschäftigung mit demenziell erkrankten Menschen stellt der sogenannte Erinnerungskoffer dar: Dieser enthält verschiedene Gegenstände aus der Kindheit und Jugend der Seniorinnen und Senioren. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft unterstreicht: „Durch einen gezielten Zugriff, einer Art Erinnerungsschlüssel, haben wir einen Türöffner, um mit den Betroffenen ins Gespräch zu kommen. Dabei können wir entweder zusammen in der Vergangenheit schwelgen oder haben etwas in der Hand, um in einen tagesaktuellen Austausch zu treten.“ Durch die Berührung der verschiedenen Objekte lassen sich Erinnerungen wachrufen und Emotionen wecken – das können alte Spielzeuge, Puppen, Lieblingsbücher oder auch Haushaltsgegenstände sein. Manche Museumsverbände bieten für die Biografiearbeit auch spezielle Themenkoffer für Männer und Frauen an, etwa zu den Bereichen „Kindheit und Schule“, „Küche und Haushalt“ oder auch „Bergmannskoffer“. Das jeweilige Beschäftigungsmaterial unterstützt dabei, die eigene Identität und Lebensgeschichte besser wahrnehmen und bewahren zu können.
Schreibwerkstatt
Workshops und Kurse zum Thema „Biografisches Schreiben“ stehen in ausgesuchten Volkshochschulen für Menschen in frühen Stadien der Demenz zur Buchung bereit. Auch Angehörige und Begleitpersonen können daran teilnehmen. Wer seine eigene Geschichte schriftlich festhält, unternimmt einen Ausflug in die Vergangenheit und kann sich gleichzeitig in der Gruppe über ganz unterschiedliche Erlebnisse austauschen. Zudem fördert die Teilnahme an einer speziellen Schreibwerkstatt den Erhalt kognitiver Fähigkeiten und somit auch die Lebensqualität. Das Niedergeschriebene darf dabei in ganz unterschiedlichen kreativen Formen daherkommen, etwa als Geschichte, in Gedichten oder per Tagebucheintrag. Neben der Aktivierung von Erinnerungen und einer Verbesserung der kommunikativen Fertigkeiten steigern entsprechende Kurse auch das Selbstwertgefühl der demenzerkrankten Person. Bringen sich Angehörige in einer Schreibwerkstatt ebenfalls mit ein, erfahren diese durch das Aufschreiben ihrer Gedanken und Gefühle eine Entlastung.
Grenzen der Erinnerungs- und Biografiearbeit
Um welches Beschäftigungsangebot es sich auch handelt: Wichtig ist es, dieses jederzeit an die individuellen Interessen und Fähigkeiten der demenziell erkrankten Person anzupassen. Die verschiedenen Ideen und Aktivitäten sollten daher niemals zu einer Überforderung oder Überanstrengung führen. Regelmäßige Pausen und Ruhezeiten stellen somit ebenfalls einen wichtigen Baustein der Biografiearbeit dar. Auch ist zu bedenken, dass bei der Erinnerungspflege (ungewollt) schmerzhafte Erlebnisse hervorgerufen werden können – Begebenheiten, an die sich die betroffenen Menschen nicht mehr erinnern möchten. Um eine Retraumatisierung zu vermeiden sollten Kriegserlebnisse oder Gewalterfahrungen daher nicht zur Sprache kommen. Hier gilt es, sensibel vorzugehen und drohende Konflikte rechtzeitig zu erkennen.