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PKV muss nochmals zahlen, wenn der im Basistarif versicherte Patient die Erstattung nicht weiterleitet

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Portratitfoto des Artikel-Autors Tobias Kraft
Von TOBIAS KRAFT (Rechtsanwalt, Rechtsabteilung PVS holding)
10 Min.Lesezeit

Vor dem Amtsgericht München führte die PVS für einen Kunden ein Verfahren gegen die Private Krankenversicherung (PKV) eines im Basistarif versicherten Patienten. Erfreulicherweise endete der unter dem Aktenzeichen 264 C 2855/20 geführte Prozess kürzlich mit einem der Klage der PVS vollumfänglich stattgebenden Urteil.

Der Fall: Ein MVZ trat die Ansprüche wegen ambulanter ärztlicher Behandlungen mit entsprechender Einwilligungserklärung des Patienten an die PVS ab. Die PVS stellte dem Patienten daraufhin eine Rechnung über die im MVZ erbrachten ärztlichen Leistungen. Der Patient beglich den Rechnungsbetrag jedoch nicht, sodass die PVS schließlich bis zur Erwirkung eines Vollstreckungsbescheides gegen ihn vorging. Es stellte sich heraus, dass der Patient im Basistarif der Privaten Krankenversicherung versichert war. Daher waren die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Basistarif (MB/BT) auf das Versicherungsverhältnis anwendbar. Da das Vollstreckungsverfahren gegen den Patienten erfolglos verlief, nahm die PVS schließlich die PKV des Patienten in Anspruch. Diese lehnte die Zahlung mit dem Hinweis auf die bereits erfolgte Auskehrung des Rechnungsbetrages an den Patienten ab. Sodann verklagte die PVS den Versicherer auf Zahlung des Rechnungsbetrages.

Die PVS stand schon zuvor auf dem Standpunkt, dass die Zahlung einer PKV an ihren Versicherungsnehmer im Basistarif nicht dazu führt, dass der Zahlungsanspruch des Leistungserbringers bzw. der PVS erlischt, wenn der Patient nicht zahlen kann. Diese Rechtsansicht hat das Amtsgericht München nun bestätigt.

Die PKV wird also nicht durch die Zahlung an den basistarifversicherten Versicherungsnehmer von der Verbindlichkeit gegenüber dem Leistungserbringer frei. Ausgangspunkt für diese rechtliche Bewertung ist § 192 Abs. 7 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG). Demnach besteht ein Direktanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem Versicherer des Patienten mit Basistarif, soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist. Damit wird der Leistungserbringer in dieser besonderen Konstellation privilegiert.

Weiter heißt es in § 192 Abs. 7 VVG: Im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis haften Versicherer und Versicherungsnehmer gesamtschuldnerisch. Gesamtschuldner schulden eine Leistung in der Weise, dass jeder verpflichtet ist, die ganze Leistung zu bewirken und der Gläubiger bei der ganzen Leistung durch einen der beiden Schuldner an ihn befriedigt ist. Bei einer Gesamtschuldnerschaft kann der Gläubiger die Leistung nach seinem Belieben von jedem der Schuldner ganz oder zu einem Teil fordern. Überträgt man dies auf den Fall, so kann die PVS für den Leistungserbringer die Begleichung der Rechnung sowohl vom Patienten als auch von dessen PKV verlangen. Der Anspruch ist erst dann erfüllt, wenn tatsächlich der volle Rechnungsbetrag an die PVS geflossen ist. Von daher erscheint es auch logisch, dass eine Zahlung des Versicherers an den Versicherungsnehmer den Versicherer nicht von seiner Leistungspflicht gegenüber der PVS befreit. Oder wie es das Gericht ausdrückt: „Dieser gesamtschuldnerischen Haftung ist es immanent, dass sich der Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern nicht auf den Gläubiger auswirkt.“

Das Gericht wies darauf hin, dass die Inanspruchnahme des Versicherers in § 192 Abs. 7 VVG zwar eingeschränkt sei („soweit der Versicherer aus dem Versicherungsverhältnis zur Leistung verpflichtet ist“), jedoch könne der Versicherer dem Leistungserbringer nicht die Zahlung an den Versicherungsnehmer entgegenhalten. Mit dieser limitierenden Regelung sei beabsichtigt, dass der Versicherer gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehende Leistungseinschränkungen oder Selbstbehalte auch dem Anspruch des Leistungserbringers entgegenhalten dürfe. Damit sei aber nicht die Zahlung an den Versicherungsnehmer gemeint. Dem stimmen wir vor dem Hintergrund der gesetzlichen Konzeption zu, denn der normierte Direktanspruch gegen den Versicherer dient als Ausgleich für die Pflicht des Leistungserbringers, Privatpatienten im Basistarif zu vergleichbaren Konditionen wie Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu behandeln. Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber auch das Bonitäts- und Inkassorisiko analog zu der Konstellation bei gesetzlich Krankenversicherten von den Leistungserbringern auf die Versicherer verlagern wollte. § 192 Abs. 7 VVG ist daher so zu lesen, dass der Versicherer die Leistung an den Leistungserbringer nur in dem tariflich vereinbarten Umfang schuldet. In dem Prozess kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich der Versicherer auch nicht mit Erfolg auf die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Basistarif (MB/BT) berufen könne.

In § 6 Abs. 4 MB/BT heißt es: „Reicht der Versicherungsnehmer die Rechnung zur Erstattung ein ohne einen Nachweis darüber zu führen, dass er die Forderung des Rechnungsstellers erfüllt hat, ist der Versicherer berechtigt, unmittelbar an den Rechnungssteller zu leisten. Der vertragliche Anspruch des Versicherungsnehmers ist insoweit erfüllt.“  

Das darin normierte Recht des Versicherers, direkt an den Leistungserbringer leisten zu dürfen, spreche sogar eher für die Sicht der PVS, denn damit solle gerade eine doppelte Beanspruchung des Versicherers vermieden werden. Dem ist beizupflichten, denn ein Versicherer, dem die Musterbedingungen die Möglichkeit einräumen, direkt an den Rechnungssteller zu leisten, wenn der Versicherungsnehmer – wie vorliegend – keinen Zahlungsnachweis vorlegt, ist rechtlich nicht schutzwürdig. Anders der Leistungserbringer bzw. Rechnungssteller, dem nicht zuzumuten ist, ohne eigenes Zutun seinen Anspruch gegen den Versicherer zu verlieren, nur weil dieser die ihm durch die Musterbedingungen eröffnete Handlungsmöglichkeit nicht zu nutzen versteht.   

Fazit: Leistungserbringer werden bei der Behandlung von im Basistarif versicherten Patienten dadurch privilegiert, dass sie einen Direktanspruch gegenüber der PKV erhalten. Die PKV kann gegen diesen Anspruch nicht einwenden, bereits an den Versicherungsnehmer geleistet zu haben. Das Münchener Urteil ist begrüßenswert, da die PVS-Rechtsansicht hierdurch bestätigt wird. Das Gericht erkennt das Wesen der gesamtschuldnerischen Haftung und würdigt den hinter § 192 Abs. 7 VVG stehenden gesetzgeberischen Willen zutreffend.

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Ausgabe: 03/2020

Titelthema – Forschung & Innovation