
Projekte und Einrichtungen, die Jung und Alt zusammenbringen, gewinnen vor dem Hintergrund des demografischen Wandels zusehends an Bedeutung. Die KiSenTa im rheinland-pfälzischen Rohrbach verbindet eine Kinder- mit einer Seniorentagesstätte: Ähnlich einem Mehrgenerationenhaushalt fördert das Konzept Toleranz und Rücksichtnahme; gleichzeitig sollen Berührungsängste und Vorbehalte abgebaut werden. Auch sensible Themen wie Krankheit und Abschiednehmen finden dort einen Platz.
Hier treffen zwei verschiedene Altersgruppen und Lebenswelten aufeinander: In der Kindertagesstätte und Seniorentagespflege Rohrbach (kurz: KiSenTa) begegnen sich regelmäßig Jung und Alt auf Augenhöhe. Mit dem Bau des Hauses im Jahr 2022 ist in der pfälzischen Gemeinde bei Landau ein Ort entstanden, der Menschen zusammenbringt, die unter einem Dach die gesamte Fülle des Lebens erfahren und gleichzeitig auch repräsentieren. Das Zusammenspiel der Generationen, gefördert von der protestantischen Kirchengemeinde als Träger der Kindertagesstätte und vom ASB Landesverband Rheinland-Pfalz – Kreisverband Südpfalz als Träger der Seniorentagespflege, orientiert sich dabei an der Idee eines Mehrgenerationenhauses. KiTa-Leiterin Daniela Rapp gewährt einen Einblick: „Beide Einrichtungen sind durch eine Zwischentür aus Glas verbunden, die gegenseitige Besuche ermöglicht. Dabei spielen Themen wie Gesundheit, Hygiene und Sicherheit eine wichtige Rolle, sodass diese Begegnungen jederzeit in Begleitung der Erzieher:innen und Betreuungskräfte stattfinden.“
Ziel des generationsübergreifenden Konzepts ist es, die Erfahrungswelten von Kindern und betagten Menschen zu kombinieren, was idealerweise durch Aktivitäten wie das gemeinschaftliche Musizieren, Lese- und Spielenachmittage oder begleitete Ausflüge und Feste gelingt. Jacqueline Rust, Pflegedienstleiterin der Seniorentagespflege, nennt das Beispiel des Nikolaustags: „Für uns Erwachsene ist das ein wiederkehrender Brauch, den wir durchaus mit Gemütlichkeit verbinden, der aber auch ein gewisses Stück an Magie verloren hat. In dem Moment aber, in dem die Kinder mit uns gemeinsam das Fest begehen, erleben die Senior:innen wieder diese ganze Aufregung und es werden eigene Erinnerungen angeregt.“ Gleiches gelte für gemeinsame Gottesdienste oder Begegnungen im Garten: „Bei solch abwechslungsreichen Unternehmungen passiert ganz viel bei den älteren Menschen, das erkennt man bereits an ihren Gesichtern. Sie strahlen, werden wacher und interessierter.“ Das moderne Haus, das an fünf Tagen pro Woche die Pforten für Besuch öffnet, bietet gleichzeitig auch Rückzugsmöglichkeiten, sollte es bei den Zusammenkünften mit den KiTa-Kindern mal etwas lebhafter zugehen: „Da die Besuche in der Regel geplant sind, lässt sich im Vorfeld aber gut abklären, ob sich jemand an einem Tag in nicht so guter Verfassung befindet“, weiß Jacqueline Rust.
Toleranz und Rücksichtnahme fördern
Dass gleich mehrere Generationen unter einem gemeinsamen Dach zusammenfinden, war früher in Familien der Normalfall: Die Großeltern kümmerten sich um die Kinder, während die Eltern arbeiteten. Im Gegenzug sorgten die jüngeren Generationen für die älteren. Wohnkonzepte dieser Art stellen heute eher die Ausnahme dar – mitunter leben Großeltern und Enkelkinder sogar weit voneinander entfernt. Haben Menschen im Alter dann den Verlust ihres Partners zu beklagen, nehmen soziale Kontakte ab oder lässt die Mobilität im Alltag zusehends nach, droht das Gefühl der Einsamkeit. Dabei spielen auch körperliche und psychische Beschwerden eine Rolle; finanzielle Hürden können ebenso ein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl auslösen. Umso wertvoller erscheinen da Projekte wie das der KiSenTa, die nicht nur Kinder und Senior:innen zusammenbringen, sondern auf beiden Seiten auch soziale Kompetenzen ausbauen, Toleranz und Rücksichtnahme fördern und neue Interessen wecken. „Unsere Gäste besitzen die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, die sich sonst eher nicht ergeben würden“, so Jacqueline Rust von der Seniorentagespflege. „Es gibt kein dankbareres Publikum als unsere Besucher:innen, die sich freuen, wenn die Kinder zum Beispiel etwas aufführen. Solche Momente saugen sie regelrecht auf.“
Wie in allen Lebensbereichen, so berichtet es KiTa-Leiterin Daniela Rapp, treffen dabei auch in Rohrbach ganz unterschiedliche Charaktere aufeinander: „Während die eher introvertierten Kinder beim Knüpfen von Kontakten ein wenig Anlaufzeit benötigen, gehen die aufgeschlosseneren direkt auf die Gäste zu, setzen sich auf ihren Schoß oder Ergreifen beim Spazierengehen die Hand.“ Genaugenommen sind es sogar drei Generationen, die in der KiSenTa gemeinsam Zeit verbringen, lernen doch auch die Erzieher:innen und Betreuer:innen täglich etwas aus den Kontakten mit Jung und Alt. Jacqueline Rust: „Die Senior:innen, die zu Besuch kommen, bringen einen großen Erfahrungshorizont mit ein und führen uns regelmäßig vor Augen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Gleichzeitig ist es für uns besonders wertvoll, sehen zu dürfen, welche Entwicklungsschritte die Kinder machen und wie sie neuen Situationen entgegentreten. Dinge, die wir Erwachsene im oft stressigen Alltag schon mal vergessen.“
Kindertagesstätte und Seniorentagespflege unter einem Dach
Das Aufeinandertreffen verschiedener Generationen ermöglicht in der KiSenTa die gemeinsame Nutzung von Ressourcen und bietet ein breites Spektrum für kooperative Beziehungen innerhalb der Einrichtung. Das Team der KiSenTa besteht aus Erzieher:innen sowie examinierten Pflegefachkräften und Betreuungskräften. Dank des Ineinandergreifens unterschiedlicher fachlicher und persönlicher Kompetenzen ist ein zielgerichtetes Arbeiten möglich, das sich an den Bedarfen, Lebenswelten und Interessen der Kinder und Senior:innen orientiert.
Unbelasteter Umgang mit dem Abschiednehmen
Dank der lebensweltorientierten Begegnungen zwischen Kindertagesstätte und Seniorentagespflege haben in der KiSenTa Vorurteile oder Berührungsängste keinen Platz. Das betrifft auch die sensible Thematik des Abschiednehmens. Im Konzept heißt es: „Das Leben, Altern und Sterben als natürlichen und wertvollen Prozess in unserer gesellschaftlichen Mitte zu begreifen, wird durch die Verknüpfung der beiden Einrichtungen erlebbar.“ Auf behutsame Weise erste Begegnungen mit dem Kreislauf des Lebens zu erfahren, könne damit einen angstfreien und unbelasteten Umgang ermöglichen. „Das Thema Tod ist in unserer Gesellschaft nach wie vor ein Tabuthema“, skizziert Daniela Rapp. „Bei uns in der KiSenTa kam es in den drei Jahren des Bestehens bislang eher mit Blick auf Haustiere oder familiäre Situationen zur Sprache. Die Kinder haben aber durchaus schon erlebt, dass mal ein Krankenwagen vor der Einrichtung hält. Solche Ereignisse begleiten wir mit aller Sensibilität und gehen auch auf sämtliche Fragen ein.“
Da kleine Kinder meist unbefangen auf andere Menschen zugehen, spielt für sie das Alter des Gegenübers eine eher untergeordnete Rolle. Ältere Menschen hingegen freuen sich mitunter, wenn mal wieder Leben in der Bude ist – ein Umstand, der in Altenheimen nicht so häufig auf der Tagesordnung steht. Kann es da trotzdem auch zu Konflikten zwischen den Generationen kommen, etwa bezüglich anderer Erziehungsvorstellungen oder fehlender Akzeptanz für moderne Lebensmodelle? „Unsere Beobachtung ist eher, dass die Senior:innen sich interessiert zeigen, was Erziehungsfragen und heutige Familienkonstellationen betrifft“, freut sich KiTa-Leiterin Daniela Rapp. „Da sehen wir keinerlei Vorbehalte oder Skepsis, vielmehr sind sie neugierig und stellen Fragen.“ Eindrücke, die Jacqueline Rust teilen kann und ebenso auf der anderen Seite regelmäßig registriert: „Auch die Kinder begegnen ihrem Besuch urteilsfrei. Ist jemand beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen, nehmen sie davon Notiz, gehen damit aber offen um.“ Nicht zuletzt aufgrund solcher Erfahrungen sind sich beide einig, dass der vertraute und partnerschaftliche Kontakt zwischen Jung und Alt positiven Einfluss aufs weitere Aufwachsen und Leben der Kinder besitzt. Und davon können künftig doch sämtliche Generationen profitieren.


