Nach über vier Jahrzehnten steht eine grundlegende Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte bevor. Die PVS holding begleitet die Entwicklung der GOÄneu seit langer Zeit – in enger Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer: Dr. Camino Valentín-Gamazo, Leiterin der Abteilung „Gebührenberatung und Wissensmanagement“ und Konstantin Theodoridis, Fachanwalt für Medizin- und Sozialrecht und Leiter der Rechtsabteilung PVS holding, geben im Interview einen aktuellen Überblick zu den markantesten Neuerungen. Gleichzeitig zeigen sie auf, wie der Abrechnungsdienstleister die Ärztinnen und Ärzte mit Expertise, Fachwissen und praxisgerechten Lösungen unterstützt.
Was hat die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte notwendig gemacht?
Dr. Camino Valentín-Gamazo: Die bestehende GOÄ ist veraltet und bildet die medizinische Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr in Gänze ab. Neue Behandlungsverfahren und Versorgungsformen finden darin keinen Platz – auch die Inflationskosten werden nicht berücksichtigt. Die jeweiligen Fachverbände haben diesen Umstand analysiert und sich gefragt: Was benötigen wir? Was ist in der Gebührenordnung noch nicht abgebildet? Nach der Formulierung eines ersten Entwurfs seitens der Ärzteschaft drängte das Bundesgesundheitsministerium auch auf eine Einigung mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung und der Beihilfe. Nach der Vorstellung eines konsentierten Entwurfs aller beteiligten Parteien hat die Bundesärztekammer diesen im September 2024 den ärztlichen Fachgesellschaften und Verbänden mit abgestimmten Preisen vorgelegt.
Wie ist der aktuelle Stand?
Konstantin Theodoridis: Die Gebührenordnung für Ärzte stellt eine Rechtsverordnung dar, die in der Regel vom Bundesgesundheitsministerium erstellt und dem Bundeskabinett vorgelegt wird. Entscheidet dieses positiv über den jeweiligen Entwurf, kommt noch der Bundesrat als letzte Instanz ins Spiel. Der Prozess der Erarbeitung unter Beteiligung, der von Frau Dr. Valentín-Gamazo genannten Vertragspartner , dauerte viele Jahre an – am 29. Mai 2025 wurde vom 129. Deutschen Ärztetag dann der Entwurf einer neuen GOÄ auf den Weg gebracht und, wie erwähnt, dem Bundesgesundheitsministerium übergeben. Nun verläuft die eigentliche Prozedur, an deren Ende die Entscheidung stehen soll, ob der eingereichte Vorschlag in die Umsetzung kommt.
CV-G: Bestimmte Fachbereiche wie die Radiologie oder Labormedizin konnten sich zunächst nicht auf den Entwurf einigen. Bis zum Ärztetag hatte die Bundesärztekammer den Fachverbänden daraufhin Zeit eingeräumt, dem Entwurf einer neuen Gebührenordnung zuzustimmen – was Ende Mai 2025 dann ja mit deutlicher Mehrheit der Fall war. Laut Bundesgesundheitsministerin Nina Warken wird es nicht vor Mitte 2026 zur Vorlage eines neuen Regelungsentwurfs kommen. Das ist der Status Quo.
Können Sie Beispiele für zentrale Änderungen nennen?
CV-G: Wie eingangs erwähnt, bildet die bisherige GOÄ viele moderne medizinische, operative und technische Verfahren nicht mehr vollständig ab. Mit der Reformierung entsteht ein völlig neues Gebührenverzeichnis mit rund 5.600 Ziffern, die mit jeweils einem festen Betrag ausgewiesen sind. Über 1.300 davon sind Zuschlagsziffern, die sich auf verschiedene Faktoren beziehen – unter anderem auf das Alter und die Diagnose des Patienten, etwaige Begleiterkrankungen oder die Art und Technik einer Behandlung. Auch Umfang und Dauer eines Eingriffs oder Gesprächs spielen dabei eine Rolle. Hinzu kommen Kombinationen dieser Merkmale, etwa dann, wenn der Gebührensatz der Hauptleistung in Verbindung mit Alter oder bestimmten Begleiterkrankungen gebracht wird. Zusätzlich gibt es komplexe Minderungs- und Steigerungsregeln.
KT: Leistungen müssen zudem entsprechend der jeweiligen Berufsordnung der Ärzte erbracht werden. § 1 der neuen GOÄ legt künftig fest, dass nur Leistungen berechnet werden dürfen, die vollständig dokumentiert sind. „Nicht aufgeführt“ heißt künftig: „nicht abrechnungsfähig“. Eine lückenlose Dokumentation wird somit zur zwingenden Voraussetzung der Abrechenbarkeit. Zudem darf eine abweichende Vergütung nur dann vereinbart werden, wenn der Grund für die Abweichung ausdrücklich schriftlich festgehalten wurde.
Welche weiteren Änderungen werden relevant sein?
CV-G: Die neue Rechnung muss künftig detailliertere Angaben enthalten, etwa zur Diagnose – ICD-Code oder Volltext – und OPS-Codes oder Volltext bei operativen Leistungen. Das war bisher bei vielen Fachrichtungen bereits der Fall, nicht jedoch beispielsweise in der Radiologie oder Labormedizin. Diese Informationen sind laut § 12 der GOÄneu nun von den Ärztinnen und Ärzten bei jeder erbrachten Leistung zu hinterlegen. Eine weitere Neuerung ist, dass der Wirkstoffname bei Medikamenten angegeben werden muss. Zudem gilt es, unvollständige Leistungen zu kennzeichnen. Neu ist auch, dass erst für Auslagen ab einer Höhe von über 100 Euro ein Belegnachweis beizufügen ist.
Wie gestaltet sich der weitere Weg bis zur finalen Umsetzung der GOÄneu und welche Rolle übernimmt dabei die PVS?
CV-G: Mit unserer langjährigen Expertise verfolgen wir seit Beginn aufmerksam den Erarbeitungsprozess der GOÄneu – stets im engen Austausch mit der Bundesärztekammer. Über unsere Abteilung „Gebührenberatung und Wissensmanagement“ steuern wir interdisziplinär Kompetenzgruppen und arbeiten mit unseren Expertinnen und Experten an der Analyse und Weiterentwicklung der zukünftigen Abrechnungsprozesse.
KT: Wir sind bewusst früh in die Analyse eingestiegen, um alle fachlichen und rechtlichen Aspekte der neuen GOÄ umfassend berücksichtigen zu können, um Ärztinnen und Ärzten künftig praxisorientierte und verlässliche Lösungen bieten zu können.
Inwiefern steht die PVS holding den Ärztinnen und Ärzte bei diesem Übergang zur Seite?
CV-G: Unser Anspruch ist klar: Wir wollen ein tiefes Verständnis für die kommenden Veränderungen aufbauen, praxisgerechte Lösungen entwickeln und unsere Kunden sicher durch den Wandel führen. Dank langjähriger Erfahrung und fundiertem Know-how können wir Entwicklungen frühzeitig einordnen und gemeinsam mit den Ärztinnen und Ärzten eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis gestalten. Zur Veranschaulichung und Orientierung werden wir auch konkrete Beispiele aus der täglichen Abrechnungspraxis zur Verfügung stellen. Ein weiterer Pluspunkt ist die starke Vernetzung der PVS holding, gepaart mit einem klaren Fokus auf Qualität und Praxisnähe.
KT: Wir unterstützen die Ärztinnen und Ärzte im gesamten Prozess der GOÄ-Neuerungen: Hierzu bieten wir derzeit verschiedene Schulungen, Online-Seminare und „Let’s Talk“-Veranstaltungen an, um wesentliche Änderungen zeitnah zu vermitteln. Unser PVS letter informiert zudem alle 14 Tage zur neuen Gebührenordnung und hält die aktuellen Termine der genannten Informationsveranstaltungen und Seminare bereit. Deren Inhalte passen wir schrittweise an die Einführung der neuen GOÄ an.
Zum Hintergrund der GOÄneu
Dem Entwurf einer Überarbeitung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄneu) wurde Ende Mai 2025 vom Deutschen Ärztetag zugestimmt: Die angestrebte Modernisierung der Honorarstruktur bringt für Praxen maßgebliche Änderungen mit sich. Hauptziele der Reform sind eine stärkere Berücksichtigung moderner medizinischer Entwicklungen und aktueller Versorgungsformen, eine deutliche Orientierung an medizinischen Standards sowie präzisere Anforderungen an die ärztliche Dokumentation. Im Bundesgesundheitsministerium geht man derzeit davon aus, dass die geplante Novellierung frühestens zum 1. Januar 2027 in Kraft tritt.