Zum Hauptinhalt
„Eben nicht nur ein Job“

„Eben nicht nur ein Job“

Kzenon // AdobeStock.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Experten, Aktivisten, Influencer und vor allem die Fachkräfte selbst – sie alle kommen in unseren Buchtipps zu Wort und beleuchten dabei die vielen Herausforderungen, die das Versorgen pflegebedürftiger Menschen mit sich bringt. Neben essenziellen Themen wie Pflegegrade, Versicherungsleistungen und das Stellen von Anträgen wird dabei deutlich, wie wichtig es ist, auch auf sich selbst zu achten. Denn: „Damit man anderen helfen kann, muss es zuerst einem selbst gut gehen.“

 

I still care

„Ich bin Krankenschwester. Ich bin Pflegeaktivistin, ich bin Influencerin, ich bin Mutter, ich bin Ehefrau, ich bin Freundin. Ich bin gewissenhaft, kollegial, zuverlässig, spontan, witzig. Ich bin überfordert, dünnhäutig, verletzt. Ich bin Franzi.“ Bereits in ihrem Erstling „I’m a nurse“ setzte sich Franziska Böhler für bessere Bedingungen in der Pflege ein. Neben jeder Menge Zuspruch begegneten ihr damals jedoch auch Kritik, Beleidigungen, Hass. Im Vorwort des Nachfolgers „I still care“ offenbart die Autorin ihre Zweifel: „Manchmal wünschte ich, ich hätte es dabei belassen, hätte den Mund gehalten.“ Hat sie jedoch nicht: In „I still care“ berichtet Böhler von Panikattacken, einem Burnout und ihrem Frust darüber, dass sich an den katastrophalen Bedingungen in der Pflege nichts ändert. Sie kommt zu der Erkenntnis: „Damit man anderen helfen kann, muss es zuerst einem selbst gut gehen.“ Ein wichtiges Werk, das die Frage beleuchtet, wie wir mit den Menschen umgehen, die sich für andere einsetzen. 

Franziska Böhler: I still care. Wie mich der Einsatz für eine bessere Pflege krank gemacht hat – und warum ich trotzdem Krankenschwester bleibe, Heyne, 256 Seiten, 16,00 €

 

Pflege zu Hause

„Pflegen – was heißt das eigentlich?“ In diesem Ratgeber der Verbraucherzentrale beantwortet Carina Frey die wichtigsten Fragen rund um die Pflege von Angehörigen. Die freie Journalistin stellt fest: „Pflege hat viele Gesichter. Mal meint »pflegen« eine umfassende körperliche Versorgung, mal Unterstützung, Begleitung, Ansprache.“ Jeder, der vor einer Pflegesituation stehe, solle sich daher immer überlegen: Was heißt das eigentlich für mich und den auf Pflege angewiesenen Menschen? In kurzen Kapiteln behandelt Frey unter anderem Themen wie die Beratung durch Pflegekassen, Pflegekurse für Angehörige, Finanzierungsmöglichkeiten und Versicherungsleistungen. Hinzu kommt als Extra ein „Antrags-ABC“, das die wichtigsten Anträge vorstellt und erklärt, was Angehörige in die Wege leiten müssen. Hilfe organisieren, Angehörige entlasten: Carina Frey stellt in diesem Nachschlagewerk heraus, dass Familienmitglieder und nahestehende Personen hierzulande den größten Pflegedienst darstellen, werden doch 4 von 5 Pflegebedürftigen (rund 3,3 Millionen Menschen) zu Hause gepflegt – Tendenz weiter steigend. Hier bietet der Ratgeber schnelle, praktische und leicht verständliche Unterstützung. 

Carina Frey: Pflege zu Hause. Was Angehörige wissen müssen, Verbraucherzentrale, 232 Seiten, 20,00 €

 

Pflegers Struggle

Auch der Krankenpfleger Metin Dogru, 1996 geboren und mit türkisch-russischen Wurzeln in Baden-Württemberg aufgewachsen, stellt die drängende Frage: „Schichtdienst, Schlafmangel und Unterbesetzung – wer sorgt sich eigentlich um die Pflegenden?“ Nach seiner Ausbildung und dem Examen führte Dogrus Weg erst in die Notaufnahme; später war er auf der Intensivstation einer Kinderklinik tätig. Heute arbeitet Metin Dogru in verschiedenen Fachrichtungen und gibt auf TikTok und Instagram als @metinlevindogru Einblicke in seinen beruflichen Alltag. In seinem Buch „Pflegers Struggle“ berichtet er zudem davon, wie er selbst durch den hohen Stress in seinem Job psychisch erkrankte, und wie er noch bis heute damit zu kämpfen hat. Dogru möchte wissen: „Was läuft schief in deutschen Krankenhäusern, dass die Pflegekräfte so häufig an psychischen Erkrankungen leiden? Welche systemischen Mängel gibt es, und was können wir dagegen tun? Wo muss sich unser Bewusstsein ändern und gibt es etwas, was wir Pflegekräfte selbst tun können?“ Neben der Sensibilisierung seiner Leserschaft möchte der Autor Pflegende somit dazu ermutigen, gut für sich selbst zu sorgen.      

Metin Dogru: Pflegers Struggle. Erschöpfung, Burn-out, Depression: Was uns Pflegekräfte krank macht, EMF, 256 Seiten, 16,00 €

 

Plötzlich Pflege

Der Titel des Werks deutet bereits darauf hin: Solange uns das Thema „Pflege“ nicht selbst betrifft, verdrängen wir es schon mal aus unserer Wahrnehmung. Diese Erfahrung musste auch Christina Käßhöfer machen, die nach einer Parkinson-Erkrankung ihres Vaters zur pflegenden Tochter wurde. In der Folge kämpfte sie sich durch die undurchschaubaren Bestimmungen unseres Pflegesystems, sie begab sich auf die Suche nach entsprechenden Fachkräften und erlebte dabei Überforderung und auch Wut. Mit „Plötzlich Pflege“ legt sie nun ein Buch vor, „das Sie lesen sollten, wenn Ihre Liebsten Sie brauchen.“ Die darin enthaltenen Kapitel tragen Name wie „Unser Umgang mit Krisen“, „Warum Pflege (nicht) weiblich ist“ oder „Was dem Leben Leichtigkeit schenkt, auch in der Pflege“. Zudem führt Christina Käßhöfer einen persönlichen Pflegeleitfaden auf, der etwa Aspekte wie die Pflegeversicherung, Anzeichen für Demenzerkrankungen, die verschiedenen Pflegegrade sowie wichtige rechtliche Dokumente beleuchtet. „Plötzlich Pflege“ ist mehr als nur ein Ratgeber für pflegende Angehörige – das Buch spendet Trost und schenkt Orientierung in einer herausfordernden Lebensphase.        

Christina Käßhöfer: Plötzlich Pflege. Das Buch, das Sie lesen sollten, wenn Ihre Liebsten Sie brauchen, Knaur, 272 Seiten, 18,00 €

 

Ein Herz und eine Pflege

„Als ich meine Ausbildung zum Pfleger anfing, fragten meine Freunde: Pfleger? Echt, Bruder? Willst du wirklich anderen den Arsch abwischen? Ja, das wollte ich.  Oder sagen wir mal so, ich hatte zumindest von Anfang an kein Problem damit.“ Der 1992 in Hamburg geborene Rashid Hamid, dessen Eltern aus Afghanistan stammen, gründete nach eben dieser Ausbildung sogar seinen eigenen Pflegedienst und begann, als @pflege.smile bei TikTok erste Clips aus seinem Arbeitsalltag zu veröffentlichen. Heute folgen Hamid dort und bei Instagram über eine Million Menschen, die Einblicke in einen Beruf erhalten, der von ganz unterschiedlichen Menschen, Biografien, Herausforderungen sowie traurigen und schönen Geschichten geprägt ist. In seinem ersten Buch „Ein Herz und eine Pflege“ hat Rashid Hamid einige dieser Geschichten aufgeschrieben; gleichzeitig gibt er den vielen Pflegerinnen und Pflegern des Landes eine Stimme, die eben nicht nur „ihren Job machen“. Der Autor kommt zu dem Schluss: „Ich lerne von meinen Patienten. Gerade, wenn sie das Leben schon fast hinter sich haben, kommt immer mal ein Spruch, der mich zum Nachdenken bringt oder mich mein Leben wieder mehr genießen lässt.“   

Rashid Hamid: Ein Herz und eine Pflege. Vom Glück, für andere da zu sein, Rowohlt, 176 Seiten, 13,00 €

 

Die Rettung der Pflege

Reimer Gronemeyer (Professor em. für Soziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen) und Oliver Schultz (Mitherausgeber der Zeitschrift „demenz: das Magazin“) wissen: Nur wenn alle gemeinsam anpacken, wird sich die Pflegekrise abwenden lassen. Das Autorenduo plädiert in „Die Rettung der Pflege“ für einen Aufbruch sowie eine partizipative, gesellschaftlich getragene Pflege, nicht zuletzt, da laut Prognosen bereits in fünf jahren 500.000 Pflegekräfte fehlen werden (bei dann 6 Millionen Pflegebedürftigen). Gelingt dies nicht, drohe laut Gronemeyer und Schultz das ernüchternde Szenario einer hoch subventionierten ambulanten und stationären Pflege, die eine professionelle Versorgung älterer Menschen in sozial entkernten Arealen vorsieht. „Die Pflegekatastrophe“, so verdeutlichen die Autoren, „kommt gleich nach der Klimakatastrophe!“     

Reimer Gronemeyer, Oliver Schultz: Die Rettung der Pflege. Wie wir Care-Arbeit neu denken und zur sorgenden Gesellschaft werden, Kösel, 192 Seiten, 20,00 €

 

Wenn Lebenserfahrung auf Neugier trifft
Dialog der Generationen

Wenn Lebenserfahrung auf Neugier trifft

Projekte und Einrichtungen, die Jung und Alt zusammenbringen, gewinnen zusehends an Bedeutung. Die KiSenTa im rheinland-pfälzischen Rohrbach verbindet eine Kinder- mit einer Seniorentagesstätte.

Mehr erfahren
Gemeinsame Schritte zurück ins Leben
Ambulante Psychiatrische Pflege

Gemeinsame Schritte zurück ins Leben

Interview: Zur Vermeidung oder Verkürzung von Klinikaufenthalten bietet die Ambulante Psychiatrische Pflege Menschen mit entsprechenden Erkrankungen eine einfühlsame Unterstützung in ihrem Umfeld.

Mehr erfahren
Ausgabe: 04/2025

Titelthema – Pflege