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Stethoskop liegt auf heller Fläche neben einem Gerichtshammer vor einem Stapel von Büchern

Update zum Vertretungsrecht von Ehepartnern in medizinischen Akutfällen

Foto: © yavdat - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Tobias Kraft
Von TOBIAS KRAFT (Rechtsanwalt, Rechtsabteilung PVS holding)
5 Min.Lesezeit

In der letzten Ausgabe der PVS einblick (4/22) haben wir über eine Neuerung im Ehegattenvertretungsrecht berichtet. In medizinischen Akutfällen ist es Ehepartnern* und eingetragenen Lebenspartnern demnach seit Beginn des Jahres möglich, füreinander verbindliche Entscheidungen über medizinische Behandlungen und diesbezügliche Verträge zu treffen.

Das Vertretungsrecht setzt voraus, dass der jeweils andere Ehepartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr selbst in der Lage ist, Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge zu regeln. Die weiteren Anspruchsvoraussetzungen werden in unserem vorherigen Artikel dargelegt, den wir Ihnen im Online-Magazin pvs-einblick.de in der Rubrik „Recht“ zur Verfügung gestellt haben. Auf der Homepage der Bundesärztekammer finden Sie ein Musterformular für die Akutvertretungsfälle von Ehegatten zum Download (Quelle: bundesaerztekammer.de/service/muster-formulare). Des Weiteren können Sie auf der Webseite der Bundesnotarkammer ein ähnliches Musterformular herunterladen (Quelle: vorsorgeregister.de/aerzte).

Im Kontext mit den in den beiden Musterformularen enthaltenen Versicherungen des Ehepartners und den rechtlichen Möglichkeiten der Ärzte drängt sich eine Frage auf, die bisher nicht gerichtsfest zu beantworten ist. Der Patient versichert dem Arzt in den Musterformularen gemäß einer Vorgabe aus dem neuen § 1358 BGB unter anderem:

Mir ist nicht bekannt,

  • dass mein Ehemann/meine Ehefrau eine Vertretung durch mich in Angelegenheiten der Gesundheitssorge ablehnt,
  • dass mein Ehemann/meine Ehefrau jemanden (d. h. mich oder eine andere Person) mit der Vertretung in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bevollmächtigt hat.

Interessant wird dies vor dem Hintergrund einer neuen Befugnis für die Ärzte. Diese dürfen nämlich seit dem 01.01.2023 eine Auskunft beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer einholen, soweit diese für die Entscheidung über eine dringende medizinische Behandlung erforderlich ist (§ 78b Abs. 1 Satz 2 Bundesnotarordnung). Behandelnde Ärzte haben danach rund um die Uhr die Möglichkeit, online abzufragen, ob ihr nicht mehr ansprechbarer Patient beim Zentralen Vorsorgeregister eine Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung, Betreuungsverfügung oder einen Widerspruch gegen das Ehegattennotvertretungsrecht registriert hat.

Das neue Einsichtsrecht für Ärzte in das Zentrale Vorsorgeregister stand bisher nur Gerichten zu. Ärzte können sich nunmehr auf dem beschriebenen Weg davon überzeugen, dass dem Ehegattenvertretungsrecht kein rechtliches Hindernis entgegensteht, wie z. B. ein Widerspruch des Patienten, der im Register hinterlegt sein könnte. Die Frage ist, ob die Einsichtnahme lediglich ein Recht des Arztes ist, oder ob damit die Pflicht korrespondiert, sich durch einen Blick ins Register davon zu überzeugen, dass der Ehegattennotvertretung nichts entgegensteht.

Ist es also als ein Dürfen oder ein Müssen zu verstehen?

Wir vertreten die Ansicht, dass den Arzt hinsichtlich der Einsichtnahme keine grundsätzliche Pflicht trifft, da der Gesetzgeber dies nach unserem Dafürhalten explizit als Pflicht hätte normieren müssen, wenn er mehr als ein bloßes Einsichtsrecht beabsichtigt hätte. Dies ist aber nicht geschehen, und auch im Gesetzgebungsverfahren finden wir keine Anhaltspunkte, dass das Einsichtsrecht in den Ehegatten-akutfällen zu einer Einsichtspflicht wird. Wenn den Arzt eine Prüf- und Nachforschungspflicht bezüglich etwaiger Ausschlussgründe des Ehegattennotvertretungsrechts träfe, wären zudem Sinn und Zweck einer unkomplizierten Vertretungsberechtigung in Notfällen gefährdet.

Der Arzt muss auf die Richtigkeit der Angaben des Ehegatten vertrauen dürfen, auch wenn darin eine Missbrauchsgefahr durch den Ehepartner liegen kann. Allerdings wird der Ehegatte nicht mit Gewissheit behaupten können, dass dem Vorsorgeregister nichts Entgegenstehendes zu entnehmen sei, da der Patient auch ohne Einbeziehung des Ehegatten dort einen Widerspruch hinterlegen kann. Daher sieht das Musterformular der Bundesärztekammer auf die Frage nach einem möglichen Ausschluss nur ein „mir ist nicht bekannt“ für den Ehegatten vor.

Der Text des neuen § 1358 BGB spricht unseres Erachtens gegen eine Pflicht zur Einsichtnahme durch den Arzt, denn demnach ist das Notvertretungsrecht ausgeschlossen, wenn dem Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der vertretene Ehegatte z. B. eine Vertretung ausgeschlossen hat. Bekannt ist etwas einer Person aber nur dann, wenn sie (positive) Kenntnis davon hat und nicht wenn sie in Unkenntnis ist, sich aber eine Kenntnis hätte beschaffen können (durch Einsichtnahme ins Register).

Obwohl wir unsere Ansicht hierzu deutlich gemacht haben, bleibt in der Praxis ein Fragezeichen. Es besteht ein Restrisiko, dass die Rechtsprechung, die nach einer gewissen Erprobungszeit für das neue Ehegattenakutvertretungsrecht zu erwarten ist, dem Arzt möglicherweise doch eine Einsichtspflicht auferlegen könnte. Aus diesem Grund raten wir Ihnen dazu, sich in den Fällen des Ehegattennotvertretungsrechts vor der Behandlung unabhängig von den Angaben des Ehegatten mit einem Blick in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer abzusichern.


*) Wenn in dem Artikel von Ehepartnern/Ehegatten die Rede ist, sind immer auch die Partner einer eingetragenen Lebensgemeinschaft i.S.d. Lebenspartnerschaftgesetzes gemeint.

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