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Stehendes, weißes Paragraphenzeichen vor grauer Betonwand

Vertretungsrecht von Ehepartnern in medizinischen Akutfällen ab 2023

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Portratitfoto des Artikel-Autors Tobias Kraft
Von TOBIAS KRAFT (Rechtsanwalt, Rechtsabteilung PVS holding)
5 Min.Lesezeit

Am 1. Januar 2023 wird eine Gesetzesänderung in Kraft treten, die sich auf die gegenseitige Vertretung von Ehegatten und Partnern einer eingetragen Lebenspartnerschaft in Angelegenheiten der Gesundheitssorge bezieht. Im Fokus steht dabei die Neufassung des § 1358 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Darin wird eine Vertretungsberechtigung der Eheleute bei ärztlichen Behandlungen und beim Abschluss entsprechender Verträge untereinander normiert, wobei diese Vertretung an enge Voraussetzungen geknüpft ist. In medizinischen Akutfällen soll es Ehepartnern ermöglicht werden, füreinander verbindliche Entscheidungen über medizinische Behandlungen und diesbezügliche Verträge treffen zu können.

Nach bisheriger Rechtslage setzte eine Vertretung voraus, dass jemand durch eine Vollmacht zur Vertretung berechtigt oder ein Betreuer für den Bereich vorhanden war. Wenn bis dato eine Vertretung ohne diese Berechtigung erfolgte, bedurfte es immer einer nachträglichen Genehmigung durch den Vertretenen. Mit der Neuregelung verfolgt der Gesetzgeber offenbar vorrangig ein fiskalisches Ziel. Die in Notfällen oftmals erforderlichen Anordnungen von vorläufigen Betreuungen sollen vermieden werden (BT-Drucksache 19/24445, S. 179).

Voraussetzung und Umfang des Vertretungsrechts

Zentrale Voraussetzung für das Vertretungsrecht der Ehegatten ist, dass der jeweils andere Ehepartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht mehr selbst in der Lage ist, Angelegenheiten seiner Gesundheitssorge zu regeln. Was unter diesen Angelegenheiten zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber abschließend aufgezählt. Dazu gehört die Entscheidungsmacht über ärztliche Behandlungen sowie Eingriffe, über die der vertretende Ehegatte anstelle des indisponierten Patienten aufgeklärt werden muss. Außerdem dürfen Verträge, die im Zusammenhang mit der Behandlung oder unmittelbaren Rehabilitation stehen, vom vertretenden Ehepartner abgeschlossen werden. Sogar freiheitsentziehende Maßnahmen zum Schutz des betroffenen Ehepartners dürfen im Einverständnis mit dem vertretenden Ehegatten getroffen werden, jedoch nur bis zu einer Dauer von sechs Wochen. Des Weiteren dürfen auch Ansprüche gegenüber Dritten, insbesondere gegenüber einer kostenerstattenden Stelle, für den Patienten geltend gemacht werden. Der behandelnde Arzt ist gegenüber dem vertretenden Ehepartner von der Schweigepflicht entbunden. Der Ehepartner darf Einsicht in die Patientenakte nehmen und in die Weitergabe der Krankenunterlagen an Dritte einwilligen. Damit dürfte der Ehepartner unserer Ansicht nach grundsätzlich auch eine PVS-Einwilligungserklärung unterzeichnen.

Ausschlussgründe

Zu beachten ist allerdings, dass das Vertretungsrecht in einigen Konstellationen ausgeschlossen ist. So gilt das Vertretungsrecht z. B. nicht, wenn die Ehepartner voneinander getrennt leben. Damit ist gemeint, dass sie die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnen, was nicht schon dann gegeben ist, wenn ein Ehepartner in einer Einrichtung lebt, weil er dort gepflegt werden muss. Ein weiterer Ausschluss ist der Fall, dass der Patient die Vertretung durch den Partner im Vorhinein abgelehnt hat bzw. er bereits einer anderen Person eine Vollmacht erteilt hat oder ein Betreuer für den Bereich der Gesundheitssorge vorhanden ist. Außerdem ist die Vertretungsmacht zeitlich auf sechs Monate ab der Dokumentation des entsprechenden gesundheitlichen Zustands durch den erstbehandelnden Arzt begrenzt. Hält der Zustand des Ehepartners länger als 6 Monate an, muss das Betreuungsgericht einen Betreuer bestellen.
Pflichten des Arztes

Die neue Rechtslage bringt Pflichten für die Ärzte mit sich. Der behandelnde Arzt muss die medizinischen Voraussetzungen des Vertretungsrechts und den Zeitpunkt, zu dem diese eingetreten sind, schriftlich bestätigen. Diese Bestätigung muss der Arzt dem vertretenden Ehepartner zusammen mit einer Erklärung aushändigen, welche die Voraussetzungen für die Vertretungsmacht und das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen beinhalten muss. Der Arzt hat sich sodann vom vertretenden Ehegatten schriftlich versichern zu lassen, dass das Vertretungsrecht wegen der Bewusstlosigkeit oder Krankheit, aufgrund derer der Ehegatte seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht erledigen kann, bisher nicht ausgeübt wurde und kein Ausschlussgrund vorliegt. Der Gesetzgeber schätzt, dass der Arzt für die Bestätigungen im Durchschnitt 30 Minuten benötigen wird (BT-Drucksache 19/24445, S. 166). Es ist fraglich, wie sich das mit der in Notfällen oftmals eilbedürftigen ärztlichen Behandlung in Einklang bringen lässt.

Fazit/Ausblick

Die neue gesetzliche Regelung sieht eine Notvertretung für Ehegatten vor, die den Patienten und seine Interessen schützen soll. Das neue Vertretungsrecht bezieht sich nur auf die Fälle, in denen der Ehepartner aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge rechtlich nicht selbst regeln kann. Des Weiteren werden einige Rahmenbedingungen definiert und den Beteiligten werden recht umfangreiche Pflichten auferlegt. Es besteht damit grundsätzlich z. B. die Möglichkeit, dass der Ehepartner für den Patienten, der aufgrund einer Erkrankung keinen Vertrag schließen kann, einen Behandlungsvertrag abschließen und in die Datenweitergabe an die PVS einwilligen kann. Einer nachträglichen Genehmigung durch den vertretenen Ehepartner bedarf es in diesem Fall nicht.

Da das Vertretungsrecht sich aber nur auf eng gefasste medizinische Akutfälle bezieht und der behandelnde Arzt recht anspruchsvolle Anforderungen in Form von Prüfungen und Dokumentationen erfüllen muss, wird die Praxis zeigen, ob tatsächlich in großem Umfang von der Neuregelung Gebrauch gemacht werden wird. Ärzte bzw. Klinikträger sind dazu aufgerufen, durch Verfahrensanweisungen den Umgang mit dem neuem Ehegattenvertretungsrecht praktikabel zu gestalten. Die weiterhin zulässigen wechselseitigen Vorsorgevollmachten auf dem Gebiet der Gesundheitssorge und Patientenverfügungen haben im Praxisalltag damit jedenfalls keineswegs ihre Bedeutung verloren.

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