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Potenzielle Spender vor dem Stand des DKMS auf dem WAO, unter anderem Hendrik Eisel

„Diese Erfahrung hat mein Leben unglaublich bereichert”

Für Metalfan Hendrik Eisel (links) keine große Sache: Nach seiner Registrierung auf dem W:O:A wurde er tatsächlich zum Stammzellspender. Foto: © DKMS
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Im Sommer 2018 ließ sich Hendrik Eisel beim Wacken Open Air (W:O:A) als potentieller Stammzellspender registrieren. Nur ein halbes Jahr später meldete sich die DKMS bei ihm: Der glühende Metalfan befand sich in der engeren Auswahl für eine Spende. Im Interview berichtet Hendrik Eisel von der spannendsten Zeit seines Lebens und hebt die wertvolle Aufgabe hervor, auch andere Menschen für eine Registrierung zu motivieren.

Seit dem Jahr 2014 ist die DKMS mit einem Stand auf dem Gelände des W:O:A vertreten. Wie präsent ist das Thema an den vier Festivaltagen?

Hendrik Eisel: Mein erster Wacken-Besuch war im Jahr 2015. Ziemlich aufgeregt hatte ich mir vorgenommen, so viele Bands wie möglich anzuschauen. Der DKMS-Stand ist mir damals daher noch nicht aufgefallen. Als rund zwei Jahre später der Präsident meiner Motorradgruppe an Blutkrebs erkrankte, kam ich erstmals mit dem Thema in Berührung. Im Jahr 2018 besuchte ich erneut das Festival: Nach einem Konzert ging es für mich Richtung Bierstand – als ich mich mit dem Getränk in der Hand um 180 Grad drehte, erblickte ich die DKMS. Gut positioniert! Da ich Zeit hatte, kam ich am Stand ins Gespräch und ließ mich schließlich registrieren.

Es war für Dich also keine „große Sache”?

Durch den Fall in meinem Bekanntenkreis hatte ich gesehen, was diese Krankheit mit einem Menschen machen kann. Mein Gedanke war: „Du bist ein junger und gesunder Kerl, stehst fest im Leben. Anderen geht es leider nicht so gut. Vielleicht besteht die Chance, Betroffenen ein wenig Lebensqualität zurückzugeben.” Der Helfer am Stand erklärte mir alles rund um den Ablauf der Registrierung und überreichte mir meinen vorläufigen Spenderausweis. Es dauerte insgesamt vielleicht zehn Minuten, bis alles erledigt war. Eben ganz nach dem Motto: „Mund auf. Stäbchen rein. Spender sein.”

Der Ablauf ist dank Wangenabstrich unkompliziert und schnell absolviert – ist das Thema dann vorerst „erledigt” oder behält man es im Hinterkopf?

Ich bin im Anschluss zurück ins Festivalcamp und habe meinen Kumpels von der Registrierung erzählt. Für mich war das Thema in dem Moment dann weitestgehend abgeschlossen. Interessant wurde es dann ein halbes Jahr später, als ich eine E-Mail von der DKMS erhielt: Ich möge mich doch bitte telefonisch melden. Tatsächlich befand ich mich in der engeren Auswahl für eine benötigte Stammzellspende! Ein paar Tage später erhielt ich per Post ein Blutentnahme-Set. Damit machte ich mich auf den Weg zu meinem Hausarzt und ließ mir drei kleine Ampullen Blut abnehmen. Die Proben gingen dann zurück an die DKMS.

Wie war der weitere Verlauf?

Ein paar Wochen später, ich befand mich gerade auf einem Motorradtreffen in Siegburg, erhielt einen Anruf von der DKMS. Man teilte mir mit, dass ich in der Tat ausgewählter Spender sei und dass meine Gewebemerkmale in acht von zehn Fällen mit denen des Empfängers übereinstimmen würden. Es stellte sich sofort ein Gefühl der Euphorie und Spannung ein, gepaart mit der Freude darüber, helfen zu können. Auch erfuhr ich in dem Gespräch, dass sich in Köln die nächstgelegene Klinik für meine Stammzellspende befände. Per E-Mail erhielt ich später sämtliche Informationen sowie einen Gesundheitsfragebogen. Zwei Wochen später standen dann erste Voruntersuchungen und ein Arztgespräch an.   

Welche Vorbereitungsmaßnahmen mussten zudem von Dir getroffen werden?

Fünf Tage vor der Spende spritzte ich mir regelmäßig jeden Morgen und Abend das hormonähnliche Präparat G-CSF unter die Haut. Bei der Voruntersuchung erhielt ich dafür sämtliche Informationen; im Internet finden sich zudem Video-
Tutorials für das Anmischen des Mittels und das Setzen der Spritze. Natürlich gibt es Menschen, die sich selbst keine Spritze verabreichen können oder möchten. Auch ich hatte damals ein wenig Angst vor Nadeln, doch nach dem Prozedere habe ich diese komplett verloren.

Dann kam der große Tag …

… für den ich auf der Arbeit Sonderurlaub eingereicht hatte. Die DKMS kommt für diese Ausfallzeiten auf, doch mein Chef wollte davon gar nichts wissen, schließlich handelt es sich um eine gemeinnützige Organisation, die auf Spendengelder angewiesen ist. Da kann ich meinen Arbeitgeber nur loben! Am Tag der Spende ging es schon früh morgens los, sodass ich bereits einen Tag zuvor nach Köln reisen musste. Die DKMS hatte für mich ein Hotelzimmer gebucht. In der Klinik nahm ich in einem Sessel Platz und erhielt in den linken und rechten Arm einen venösen Zugang. Zur Überbrückung der Zeit konnte ich einen Film schauen, doch der Entnahmeprozess lief schneller als gedacht, sodass ich das Ende des Films gar nicht mehr mitbekommen habe. Auch die betreuende Krankenpflegerin war erstaunt: Innerhalb kürzester Zeit konnte eine große Menge an Stammzellen entnommen werden, sodass der Ablauf gerade mal eine Stunde dauerte. Es traten auch keinerlei Beschwerden oder Nachwirkungen auf.

Hat Dich die Frage nach dem Empfänger der Stammzellen beschäftigt?  

Schon kurz nach einer Entnahme informiert die DKMS grob darüber, wohin die Spende geht. In meinem Fall war es ein über 30 Jahre alter Mann aus Großbritannien. Als ich das erfuhr, sprang bei mir der Denkapparat an: Was mag das für ein Mensch sein? Wie lebt er? Hat er Frau und Kinder? Nach einem halben Jahr durfte ich ihm über die DKMS anonymisiert einen Brief schreiben, lediglich mit Informationen zu meinem Alter und der Herkunft. Ich habe damals keine Antwort erhalten, was für mich aber völlig in Ordnung war. Ich dachte: Lass ihm seine Zeit. Rund ein Jahr später erhielt ich einen Brief von der DKMS. Als ich den Umschlag öffnete und den Brief herausziehen wollte, fiel ein kleines Päckchen mit Blumensamen auf den Tisch. Ohne den Inhalt des Briefes zu kennen, war mir klar, dass der Mann aus Großbritannien verstorben war.

Welche Gedanken hat das in Dir hervorgerufen?

Mir war klar, dass diese Nachricht für mich kein Grund sein darf, in Depressionen zu verfallen. Es ist sehr bedauerlich, dass ich den Menschen nicht kennenlernen durfte. Aber ich habe sein Leben mit meiner Spende um ein Jahr verlängert. Daher hat sich alles, was im Vorfeld in die Wege geleitet wurde, gelohnt. Und das hätte es auch, wenn es statt einem Jahr nur ein Tag gewesen wäre. Allein diese Erfahrung hat mein Leben unglaublich bereichert.

Nur kurz nach der Stammzellentnahme stand bereits das nächste Wacken-Festival an ...

Montags gespendet, sonntags nach Wacken gefahren (lacht). Am ersten Festivaltag habe ich direkt wieder den Stand der DKMS aufgesucht, wo ich umgehend gefragt wurde, ob ich mich registrieren lassen wolle. „Längst geschehen”, lautete meine Antwort, „ich habe letzte Woche sogar gespendet.” Da bekam mein Gegenüber umgehend große Augen: „Du bist die Nummer 34! Von allen Stammzellspendern, die wir auf dem Festival registriert haben, bist du der 34.!” Tatsächlich hatte man schon von meiner Spende gehört, war jedoch überrascht, dass ich nur kurze Zeit später schon wieder fit für Wacken war. Die Euphorie im Team der DKMS war riesengroß, sodass ich direkt „verhaftet” wurde, um am Stand für Spendenwillige Rede und Antwort zu stehen.

Wie würdest Du die Solidarität innerhalb der Wacken-Szene umschreiben?

Die Community ist wie eine große Familie. Die Stimmung während der gesamten Festivalwoche lässt sich für Außenstehende kaum beschreiben – man muss es selbst erlebt haben. Nach der zweijährigen Corona-Pause herrschte bei der 2022er-Ausgabe eine ganz besondere Atmosphäre. Es freut mich sehr, dass ich mit meinen Berichten andere Menschen für eine Registrierung motivieren kann. Die Reaktionen der Szene auf meine Geschichte sind sensationell, manch einer stellt mich gar als Helden dar. So fühle ich mich aber nicht. Für mich war die Stammzellspende eine Selbstverständlichkeit.

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