
Sie heißen Aki, Aaron, Biest, Heidi, Loki und Lu – und haben allesamt eine erstklassige Ausbildung als Spürhunde genossen. Bei ihrer Fertigkeit geht es allerdings weder um die Suche nach Sprengstoffen oder Suchtmitteln, noch um das Lesen von Fährten: Vielmehr sind die Tiere in der Lage, verschiedene Klassifizierungen von Lungenkrebs zu erschnüffeln. Das Unternehmen Dogscan aus dem niederrheinischen Erkelenz hat es sich zum Ziel gesetzt, mit einem speziellen Verfahren die Früherkennung der Erkrankung zu unterstützen. Dafür bündeln bei dem Start-up Hundeliebhaber und erfahrene Mediziner ihre Kräfte gleichermaßen.
Mit jährlich rund 50.000 neu Betroffenen stellt Lungenkrebs hierzulande eine der häufigsten Krebsformen dar. Bei der Erkrankung machen sogenannte nicht-kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC) rund 75 bis 80 Prozent aller Bronchialkarzinome aus. Als bekannteste Ursache ist hier der Tabakkonsum zu nennen: Die im Zigarettenrauch enthaltenen Karzinogene schädigen das Gewebe der Lunge und können genetische Veränderungen in den Zellen verursachen. Doch auch das Passivrauchen steigert das Krebsrisiko, also dann, wenn nichtrauchende Menschen in ihrem Lebens- oder Arbeitsumfeld Tabakqualm ausgesetzt sind. Als weitere Faktoren für eine Erkrankung gelten die allgemeine Luftverschmutzung, das Einatmen von Schadstoffen auf der Arbeit sowie Radon, ein natürlich vorkommendes radioaktives Gas, das in den Boden gelangt und vor allem in Erdgeschossen von Gebäuden freigesetzt werden kann. Ebenso genetische Veranlagungen können – wenn auch seltener – eine Rolle spielen. Hinsichtlich der Vorbeugung macht die Deutsche Krebsgesellschaft klar: „Die beste Möglichkeit, sich vor Lungenkrebs zu schützen, besteht darin, das Rauchen aufzugeben oder erst gar nicht damit zu beginnen. Je früher jemand mit dem Rauchen aufhört, desto größer sind seine Chancen, das Lungenkrebsrisiko wieder demjenigen von Nichtrauchern anzunähern.“

Wie bei allen Krebsarten gilt auch bei einer Schädigung der Lunge: Früherkennung rettet Leben! Die entsprechenden Symptome zeigen sich hier jedoch oft erst in einem späten Stadium; nicht selten sind Betroffene zu Beginn der Erkrankung gar beschwerdefrei. Vor allem diese Schwierigkeiten brachten die beiden Geschäftspartner Alexander Maßen und Florian Wienen auf die Idee, das gemeinsame Projekt Dogscan ins Leben zu rufen. Maßen, der seinen Vater durch Lungenkrebs verlor, und Wienen, ein professioneller Hundetrainer, haben es sich mit ihrem Start-up zur Aufgabe gemacht, eine Vorsorge zu schaffen, die möglichst vielen Menschen das Leben retten kann. Die bemerkenswerte Idee dahinter: Hunde schnüffeln an speziellen Masken, um zu erkennen, ob die Person, die diese Maske getragen hat, möglicherweise an Lungenkrebs erkrankt ist. Dafür hat sich das Duo mit Ali Boukllouâ einen erfahrenen Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie ins Boot geholt, setzt dieser bei seiner täglichen Arbeit doch auch voll und ganz auf die Vorsorge: „In erster Linie sehe ich mich als Präventionsmediziner – seit Januar 2024 bin ich in meiner eigenen privatärztlichen Praxis PreventicsOne in Düsseldorf tätig. Bei den dort durchgeführten Komplett-Check-ups ist es mir wichtig, den Menschen ganzheitlich zu sehen und das komplexe Zusammenspiel aus biologischen, psychischen und sozialen Faktoren zu betrachten. Dies beinhaltet auch die aktive Auseinandersetzung des Patienten mit Körper, Geist und Umwelt.“ Die daraus resultierende Philosophie, einer Krankheit möglichst zuvorzukommen, hatte Dogscan-Mitbegründer Florian Wienen, der Ali Boukllouâ durch die eigene Gesundheitsvorsorge bereits kannte, inspiriert und überzeugt.

Zuverlässige und aussagekräftige Daten
Die ausgebildeten Hunde von Dogscan werden nicht nur darauf trainiert, Verleitungen wie Zigarettenrauch, COPD oder Schminke zu ignorieren, sondern auch, ausschließlich den „Reinstoff Krebs" anzuzeigen. Die Bestätigungsmasken werden vom Unternehmen in verschiedene gängige Klassifizierungen von Lungenkrebs eingeteilt, wie zum Beispiel NSCLC, T3 N2 M0, nach der Stadienklasse der UICC, Subtypen wie Adenokarzinom sowie in andere relevante Bereiche wie Raucherstatus und durchgeführte Behandlungen. So ist es möglich, über die Sensitivität der Hunde zu jeder Maske zuverlässige und aussagekräftige Daten zu erhalten.
Vorsorge für alle Menschen

Doch wie genau funktioniert sie, die Lungenkrebsvorsorge mit Hilfe von Hunden? Dogscan bietet Boxen mit speziellen Masken an, die nach erfolgter Bestellung von den Testpersonen fünf Minuten zu tragen sind. Nach der Rücksendung zum Unternehmen kommen die ausgebildeten Tumorspürhunde ins Spiel: Das betreuende Team baut 100 Suchboards auf, die mit unterschiedlichen Masken bestückt werden. Eine verantwortliche Person ist für den Bau der Suchanlage zuständig, die neben den eingesendeten Kundenmasken auch mehrere Bestätigungsmasken von Probanden sowie nachweisliche Negativmasken enthält. Welche Masken in welche Suchboards gelegt werden, bestimmt eine Software per Zufall. Da ausschließlich der Anlagenbauer die Positionen der Masken kennt, suchen die Hunde mit ihren Hundeführern jederzeit „blind“. Wird die Anlage ausgewertet, müssen die Masken, bei denen der Hund angeschlagen hat, positive und die Verleitungs-Masken negative Ergebnisse aufweisen. „Das Anliegen von Alexander Maßen und Florian Wienen, Lungenkrebsvorsorge für alle Menschen – unabhängig vom Einkommen – zugänglich zu machen, hat mich sofort begeistert“, erinnert sich der heutige Dogscan-Gesellschafter Ali Boukllouâ zurück. „Ein mutiger, aber letztlich erfolgreicher Schritt, dessen Ansatz sich auch mit meiner Präventionsarbeit deckt.“ Eine Studie zur Effektivität dieser ganz besonderen Vorsorge soll laut dem Facharzt noch im Jahr 2025 veröffentlicht werden.
Zur Beantwortung der Frage, weshalb es den ausgebildeten Tieren möglich ist, Krebs zu riechen, lohnt sich ein Blick auf die unterschiedlichen Fertigkeiten von Mensch und Vierbeiner: Hunde besitzen rund 300 Millionen Riechzellen, nutzen 10 Prozent ihres Hirns für die Nase, haben eine etwa 150 cm² große Riechschleimhaut und verfügen über das sogenannte Jacobson-Organ, das es ihnen möglich macht, Gerüche zu schmecken. Während der Mensch hingegen ca. 5 Millionen Riechzellen besitzt und nur 1 Prozent seines Hirns für die Nase einsetzt, weist seine Riechschleimhaut lediglich eine Fläche von 5 cm² auf. Ali Boukllouâ unterstreicht, wie wertvoll diese neue Möglichkeit der Früherkennung ist: „Ich habe im Rahmen meiner Vorsorgearbeit immer wieder Patienten gesehen, die klinisch einwandfrei waren und keinerlei Symptome gezeigt haben – und dennoch wurde ein großer Tumor entdeckt. Das zeigt, wie notwendig es ist, Screening-Methoden durchzuführen, die nicht-invasiv sind.“ Die olfaktorische Wahrnehmung der Spürhunde übertreffe dabei jedes technische Gerät, erklärt Boukllouâ beeindruckt.
Hunde werden regelmäßig geprüft

Bei einer solch (lebens)wichtigen Aufgabe wie der des Aufspürens von möglichen Lungenkrebsanzeichen in den ersten Stadien, braucht es natürlich regelmäßige Leistungsnachweise und Prüfungen, um jederzeit die Anforderungen von Dogscan zu erfüllen. Denn genau wie wir Menschen, so weiß man bei den Profis des Unternehmens, können auch die schnüffelnden Fellnasen mal einen schlechten Tag erwischen und sich irren. Aus diesem Grunde müssen stets drei von insgesamt fünf Hunden das positive Ergebnis einer Maske anzeigen. Ein negatives Resultat wird nur dann akzeptiert, wenn keiner der fünf Hunde anschlägt. Sind die Tiere sich nicht einig – zeigt etwa nur eines die Maske an – wird das Ergebnis als „nicht eindeutig“ bewertet. Für diesen Fall übernimmt Dogscan die Verantwortung und schickt der Testperson kostenfrei ein neues Wiederholungspaket zu. Im Zuge einer regelmäßigen Prüfung müssen die Tumorspürhunde zudem kumuliert 2.500 Proben erschnüffeln. Ein entsprechendes Suchboard enthält 100 Masken von Personen, die nachweislich in verschiedenen Stadien an Lungenkrebs erkrankt sind. Von diesen 100 Treffermasken gilt es mindestens 90 ausfindig zu machen.
Einen Arzt kann und möchte das Team von Dogscan nicht ersetzen: Vielmehr versteht das Start-up vom Niederrhein sein Produkt als eine prophylaktische Präventionsmaßnahme, die Hinweise auf Lungenkrebs geben kann. Zeigen die Hunde mögliche Auffälligkeiten an, ist jederzeit ein qualifizierter Facharzt zur weiteren medizinischen Abklärung aufzusuchen. „Wir empfehlen dann in den meisten Fällen eine hochauflösende Computertomographie der Lunge, um feststellen zu können, ob tatsächlich Krebs vorliegt“, zeichnet Ali Boukllouâ die nächsten Schritte nach. „Sollten sich dabei neuerliche Verdachtsmomente ergeben, werden weiterführende Untersuchungen notwendig – in der Regel die Bronchoskopie, also eine Lungenspiegelung, um den Tumor zu punktieren und sicherzustellen, um welche Krebsart es sich handelt.“ Der Mediziner garantiert, dass niemand in der Folge allein gelassen wird: So ruft er Betroffene etwa persönlich an, um mit ihnen dezidiert und ausführlich den anstehenden Weg zu besprechen. Dabei gehe es ihm in erster Linie um Wertschätzung: „Wir sehen diese Patienten nicht als Kunden, sondern als Menschen. Daher verstehen wir Dogscan auch als eine soziale Innovation, denn wir möchten nicht nur eine Vorsorge für jedermann ermöglichen, sondern auch im Falle eines positiven Befunds Rückfragen beantworten und Ärzte empfehlen, um so die weitere Begleitung zu gewährleisten.“ Ali Boukllouâ betont die Wichtigkeit, in der Medizin immer wieder neue Wege zu beschreiten – jeder einzelne Patient, dessen Diagnose dank der Dogscan-Methode frühzeitig gestellt werden kann, rechtfertigt diese Auffassung. RT•