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Sympathisch lächelnder, junger, männlicher Arzt mit Brille, weißem Kittel, Stethoskop um den Hals, schüttelt Patient (Rückenansicht) am Schreibtisch die Hand

Lässt sich Empathie erlernen?

Zuhören und Interesse zeigen: Wer die Patientenperspektive einnimmt, macht vieles richtig. Foto: © sebra - stock.adobe.com
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Eine zufriedenstellende Arzt-Patienten-Beziehung beruht neben den fachlichen Qualitäten vor allem auf einer gelungenen Kommunikation. Die erfolgreiche ärztliche Gesprächsführung hängt dabei von vielerlei Faktoren ab; hoher Zeitdruck in den Praxen verhindert nicht selten einen gut strukturierten Austausch. Die Diplom-Psychologin Dr. phil. Swetlana Philipp trainiert mit angehenden Ärztinnen und Ärzten am Universitätsklinikum Jena unter anderem fordernde Gesprächssituationen – auch mit Schauspielpatienten. Sie weiß: Eine gute Kommunikation kann die subjektive Wahrnehmung der Symptome und die Genesung eines Patienten beeinflussen.

Ärztinnen und Ärzte führen im Praxisalltag unzählige Patientengespräche. Wie bewerten Sie dahingehend die Lehrsituation im Medizinstudium?

Im Zuge einer Recherche las ich, dass Ärztinnen und Ärzte in ihrer Berufskarriere zwischen 160.000 und 300.000 Patientengespräche führen. Eine enorme Zahl! Dabei ist zu unterscheiden, um welche Art von Gespräch es sich dreht: Ein Aufklärungsgespräch etwa verläuft anders als das Vermitteln einer schwerwiegenden Diagnose. Ich denke, dass sich bezüglich der Lehrsituation hierzulande in den letzten Jahren sehr viel getan hat. Ich bin in der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) tätig und sitze dort unter anderem im Ausschuss „Kommunikative und soziale Kompetenz“. Wir sind im ganzen deutschsprachigen Raum vernetzt, mit dem Ziel, die ärztliche Gesprächsführung weiter im Curriculum zu integrieren.

Wie darf man sich Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte am Universitätsklinikum Jena vorstellen?

Ich habe im Jahr 2002 begonnen, „Medizinische Psychologie“ zu unterrichten und das Fach, das alle Medizinstudierenden im vorklinischen Abschnitt belegen, zu einem kompletten Kommunikationstraining umgestaltet. Sämtliche medizinpsychologischen Themen bereitete ich hinsichtlich der Fragestellung auf, inwiefern sie für die Gesprächsführung relevant sind. Da geht es etwa um die Kommunikation mit alten Menschen, mit Kindern oder um Gespräche mit Menschen aus anderen Kulturen – stets anwendungsorientiert und mit einem klinischen Bezug. Zudem habe ich mich als Trainerin für Simulationspersonen, also Schauspielpatienten, ausbilden lassen.

Die unterschiedlichen Gesprächssituationen werden also per Rollenspiel eingeübt?

Genau, hier in Jena führen alle Studierenden im zweiten Jahr mindestens ein Gespräch mit einer Schauspielpatientin oder einem -patienten und beobachten auch bis zu zwölf solcher Situationen. Für diese Übungen werden die Schauspielpatienten je nach Thema entsprechend geschult – es beginnt mit einfachen Gesprächssituationen wie einer Anamnese; später gehört auch das Überbringen schwerwiegender Nachrichten zum Ablauf. Der Schwierigkeitsgrad der Veranstaltung, die sich über Winter- und Sommersemester erstreckt, steigt also. Ziel ist es immer, dass die angehenden Medizinerinnen und Mediziner bis zum Ende ihres Studiums eine umfassende Kommunikationskompetenz entwickelt haben. Die neue Approbationsordnung sieht aktuell vor, dass diese Thematik auch im klinischen Bereich noch stärker integriert wird.

Wie wichtig sind Reflexion und Selbstkritik für den Lernprozess?

Im Zuge der Evaluation unserer Lehrveranstaltung wird immer wieder deutlich, wie wichtig es den Studierenden ist, sich auch schon im vorklinischen Abschnitt zu hinterfragen, weshalb sie die ärztliche Laufbahn einschlagen. Und immer wieder die eigene Motivation für dieses höchst anspruchsvolle Studium zu reflektieren: „Für wen mache ich das? Wie kann ich Patienten gut begleiten? Weshalb bin ich angetreten?“

Heißt, Sie machen bei den angehenden Ärztinnen und Ärzten dahingehend eine Sensibilisierung aus?

Interessant ist: Wann immer ich einem Gegenüber berichte, was ich am Universitätsklinikum Jena unterrichte, bekomme ich zu hören, dass dies eine wichtige Schulung sei. Somit haben wohl schon viele Menschen die Erfahrung eines unbefriedigenden Arzt-Patienten-Gesprächs gemacht. Ich weiß nicht, ob es ein Mythos ist, dass sich die Empathiefähigkeit der Medizinstudierenden im Laufe des Studiums eher verschlechtert als verbessert, da sie zusehends in Routineabläufe übergehen. Umso mehr freut es mich, wenn ich Ärztinnen oder Ärzte treffe, die einst meinen Kurs belegt haben und die sich heute dankbar daran erinnern, dass man sich damals die Zeit zum Reflektieren genommen hat.

Neben einer erfolgreichen Gesprächsführung gilt es auch, eine empathische Beziehung zur Patientin bzw. zum Patienten aufzubauen. Inwiefern lässt sich diese Fertigkeit „erlernen“?

Bei der linguistischen Analyse einer Kommunikationssituation ist es durchaus möglich, zu erkennen, wer sich empathisch verhält, und wer nicht. Auch die Studierenden können lernen, solche Situationen zu „lesen“ und auf einer rationalen Ebene ein Verständnis dafür entwickeln, was Empathie ist. Die jeweilige Umsetzung hat dann letztlich etwas mit der eigenen Haltung zu tun. Mit der Priorisierung: „Was ist mir im Gespräch wichtig?“ Hinzu kommt die Frage, ob Arzt-Patienten-Gespräche heute vom Gesundheitssystem ausreichend honoriert werden. Im Idealfall aber machen Medizinerinnen und Mediziner die Erfahrung, dass sie mit ausreichend Empathie und Geduld Gutes beim Patienten erwirken können.

Heißt, ein gelungenes Gespräch erzeugt positive Erwartungen?

Eine gute Kommunikation kann die subjektive Wahrnehmung der Symptome eines Patienten beeinflussen. Ein Beispiel für die objektive Ebene wiederum: Wenn der Arzt gut spricht, sind unter Umständen die Blutdruckwerte besser. Ein weiteres Beispiel wäre das Informationsgespräch zu einem verschriebenen Medikament: Je nachdem, welche Worte da gewählt werden, kann das auch die Wirkung beeinflussen. Geht man davon aus, dass Ärztinnen und Ärzte mit dem Ziel antreten, das subjektive und objektive Befinden ihrer Patienten zu verbessern, dürften Empathie und Geduld also eine wichtige Rolle spielen. Da sie in ihrem Berufsleben zudem immer wieder ganz unterschiedliche Patiententypen kennenlernen, lässt sich gewissermaßen Menschenkenntnis auch üben. Übrigens: Ärztinnen und Ärzte, die wissen, dass sie gut kommunizieren, sind zufriedener und somit weniger vom Burnout bedroht.

Ein Problem, das stets angeführt wird, ist der Mangel an Zeit. Welche Chancen verspielen Ärztinnen und Ärzte möglicherweise, wenn sie ihr Gegenüber nicht ausreden lassen?

Was ich meinen Studierenden und auch Schauspielpatientinnen und -patienten immer sage: Jeder Mensch, der im Wartezimmer sitzt, hat innerlich einen kleinen Monolog vorbereitet, um später die Symptome bestmöglich schildern zu können. Erhält er also die Chance, all das aufführen zu können, was er für wichtig erachtet, liegt der Ärztin bzw. dem Arzt oftmals ein Großteil der essentiellen Informationen bereits vor. Natürlich sollten Zwischenfragen erlaubt sein – man kann auch „gut unterbrechen“, indem man das eigene Nachfragen erläutert und somit Interesse an dem zeigt, was die Patientin oder der Patient gesagt hat ...

… und somit eine wertschätzende Kommunikation an den Tag legt.

Ja, denn bei jedem Thema liegt der Gesprächsfokus woanders. Ich denke da an eine gemeinsame Entscheidungsfindung: Geht es etwa um die Lebensstiländerung eines Patienten, ist es besonders wichtig, ihn miteinzubeziehen und in seiner Realität abzuholen – um zu schauen, was er überhaupt ändern kann und wo er möglicherweise gar nicht umdenken möchte. Wer immer wieder aufs Neue die Patientenperspektive einnimmt, macht bereits Vieles richtig.

uniklinikum-jena.de/mpsy

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