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Junge Ärztin mit Headset sitzt am Schreibtisch und spricht mit Patientin über einen Laptopscreen

Telemedizin im Umfeld der GOÄ

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Portratitfoto von Dr. Markus Molitor
Von DR. MED. MARKUS MOLITOR (MBA, M.D.R.A., Arzt und Zahnarzt, Leiter Gebührenreferat und PVS forum)
5 Min.Lesezeit

An vielen Stellen im Gesundheitssystem ist das Fortschreiten der Digitalisierung spürbar. Von besonderem Interesse ist für Arzt und Patient der Bereich der Telemedizin. Unter Telemedizin wird laut Bundesärztekammer die Erbringung medizinischer Leistungen in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Rehabilitation sowie bei der ärztlichen Entscheidungsberatung über räumliche Entfernungen hinweg verstanden. Genutzt werden hierzu Informations- und Kommunikationstechnologien. (Q1) Die Entwicklungen der Telemedizin werden in aktuell überarbeiteten Texten, wie der Musterberufsordnung für Ärzte und dem EBM aufgegriffen, wohingegen Sie in der GOÄ nur wenig Beachtung finden.

Berufsordnung

Eine zentrale Frage für die Telemedizin ist, ob in der Behandlung Kommunikationsmedien nur unterstützend eingesetzt werden dürfen, oder ob eine Fernbehandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien erfolgen darf. Im Jahre 2018 hat der Deutsche Ärztetag durch die Novellierung des §7 Abs. 4 der Musterberufsordnung für Ärzte den Weg freigemacht für eine Ausweitung der Telemedizin. So soll „eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien … im Einzelfall erlaubt“ sein, „wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt … gewahrt wird“. Im Begründungstext des Vorstands der Bundesärztekammer wird näher erläutert, dass „der Arzt durch eine jeweilige Prüfung des Einzelfalls“ entscheidet, „ob eine Beratung oder Behandlung ausschließlich aus der Ferne über Kommunikationsmedien möglich ist“, und dass „der anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse einzuhalten“ ist. In den Berufsordnungen der meisten Landesärztekammern wurden Änderungen in diesem Sinne vollzogen. Es finden sich jedoch weiterhin Kammerbereiche, in denen eine ausschließliche Fernbehandlung weiterhin nicht möglich ist.

EBM

Im Bereich des EBM traten zum 1. Oktober 2019 mehrere neue Regelungen in Kraft. So dürfen nun Ärzte fast aller Fachgruppen Videosprechstunden durchführen und abrechnen. Auch der erste Arzt-Patienten-Kontakt darf in einer Videosprechstunde stattfinden. Die Anzahl der im Quartal ausschließlich per Videosprechstunde behandelten Fälle ist auf 20 Prozent aller Behandlungsfälle beschränkt.

Für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sind jetzt bestimmte Leistungen der Richtlinien-Psychotherapie per Videosprechstunde durchführ- und abrechenbar. Zu diesen Leistungen zählen bestimmte Gesprächsleistungen (z. B. das Psychiatrische Gespräch), aber auch therapeutische Leistungen (z. B. Psychotherapie, übende Interventionen). So finden sich Leistungen, die nur in Einzelbehandlung im Rahmen des EBM telemedizinisch erbracht werden können (z. B. Psychotherapie), aber auch Leistungen, die sowohl als Einzelbehandlung, als auch als Gruppenbehandlung möglich sind (z. B. Übende Interventionen). Voraussetzung für die Erbringung psychotherapeutischer Leistungen per Video ist, dass zuvor ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt erfolgt ist. Es ist somit festzuhalten, dass im kassenärztlichen Bereich die Videosprechstunde nun einfacher in den Praxisalltag integriert werden kann. (Q2)

GOÄ

In der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) findet der Bereich der Telemedizin nur wenig Aufmerksamkeit. Die GOÄ steht jedoch einer Erbringung medizinischer Leistungen über räumliche Entfernungen grundsätzlich nicht im Wege. In dem Zusatz „auch mittels Fernsprecher“ zu den Beratungen nach GOÄ-Nr. 1 und 3, sowie zur GOÄ-Nr. 2, wird deutlich, dass diese Leistungen auch fernmündlich erfolgen können. Ein entsprechender Zusatz ist andernorts in der GOÄ allerdings nicht zu finden. Entsprechend der Kommentierung nach Brück (Q3) bedeutet dies jedoch nicht, dass die fernmündliche Erbringung anderer Gesprächsleistungen, sowie deren Berechnung, in der GOÄ ausgeschlossen wären. Der Kommentar befürwortet die Berechnungsfähigkeit fernmündlich erbrachter weiterer Leistungen. Dies sind Leistungen nach den GOÄ-Nr. 4 (Fremdanamnese) und 15 (Einleitung und Koordination flankierender therapeutischer und sozialer Maßnahmen), sowie in Ausnahmefällen der GOÄ-Nr. 806 (psychiatrische Behandlung, auch in akuter Konfliktsituation) und 812 (psychiatrische Notfallbehandlung bei Suizidversuch und anderer psychische Dekompensation). Die Berechnungsfähigkeit spezieller Beratungsleistungen des Abschnittes B III wird jedoch ohne weitere Begründung verneint. Die Kommentierung nach Hoffmann(Q4) sieht die modernen Kommunikationsformen unter Nutzung des Internets als grundsätzlich der telefonischen Beratung entsprechend an. Auch hier wird die Auffassung vertreten, dass bspw. die Leistung nach GOÄ-Nr. 812 telefonisch erbringbar ist.  

Mit den Änderungen der Musterberufsordnung für Ärzte wurde das zuvor geltende Prinzip des Fernbehandlungsverbots aufgebrochen. Mit dem Vormarsch der Digitalisierung im Gesundheitswesen wird dort der Telemedizin Raum zugebilligt, wo sie ärztlich vertretbar ist, der ärztlichen Sorgfalt entspricht und den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse einhält. Für welche Leistung dies gelten kann zeigen die Vorgaben des EBM für den kassenärztlichen Bereich. Hier sind mittlerweile bestimmte, auch spezielle und therapeutische, Leistungen, wie das psychiatrische Gespräch und die Psychotherapie, telemedizinisch erbringbar. Die GOÄ selbst schränkt die telemedizinische Erbringung von Leistungen explizit kaum ein, zuweilen vertreten jedoch gängige Kommentierungen eine nicht näher begründete rigorose Position in Bezug auf deren Abrechenbarkeit. Vor dem aktuellen Hintergrund der überarbeiteten Musterberufsordnung für Ärzte und den Erweiterungen des EBM stellt sich die Frage, ob nicht durchaus weitere Leistungen im Rahmen der geltenden GOÄ telemedizinisch erbringbar und berechenbar sind. Wenn die Voraussetzungen des §7 Abs. 4 der Musterberufsordnung für Ärzte erfüllt sind, wäre beispielsweise auch die Erbringung und  Abrechnung spezieller Beratungsleistungen, psychiatrischer Gesprächsleistungen und Leistungen in der Psychotherapie denkbar. Inwieweit sich die telemedizinische Erbringung derartiger Leistungen in einer GOÄneu niederschlagen wird bleibt abzuwarten.

 

QUELLEN

Q1: Telemedizinische Methoden in der Patientenversorgung - Begriffliche Verortung, BÄK 20.03.2015, https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Telemedizin_Telematik/Telemedizin/Telemedizinische_Methoden_in_der_Patientenversorgung_Begriffliche_Verortung.pdf
Q2: Videosprechstunden sind jetzt öfter möglich - Vergütung im EBM neu geregelt 10.10.2019, KBV, www.kbv.de/html/1150_42530.php; Quelle: VIDEOSPRECHSTUNDE ÜBERSICHT ZUR VERGÜTUNG, 01.10.2019, KBV, https://www.kbv.de/media/sp/Videosprechstunde__bersicht_Verg_tung.pdf
Q3: Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte, Deutscher Ärzteverlag
Q4: Gebührenordnung für Ärzte GOÄ, Kohlhammer Verlag

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