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Cannabisblüte

„Der Ruf von Medizinalcannabis wird sich in den nächsten Jahren erheblich verbessern”

Umfragen zufolge können sich 38 Prozent der Deutschen vorstellen, medizinisches Cannabis als Behandlung einzunehmen. Foto: © HEYDAY
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Es ist der Beginn einer nachhaltig geplanten Entwicklung: Die Start-up-Gründer der HEYDAY AG möchten sich langfristig auf dem Markt für Medizinalcannabis etablieren, um so eine befriedigende Versorgungssituation zu erreichen. Im Frühling 2019 ist das Unternehmen mit Sitz in Berlin gestartet, um ein breitgefächertes Portfolio für die sichere und personalisierte Therapie mit Cannabis anbieten zu können. HEYDAY-CEO Stephan Kramer spricht im Interview über Herausforderungen, Ressentiments und „die Möglichkeit, von Anfang an bei solch einer Entwicklung ganz vorne mit dabei zu sein.”

Cannabis in der modernen Medizin ist ein relativ junges Thema: Wie würden Sie hierzulande die Akzeptanz von Medizinalcannabis als Arzneimittel einschätzen?

Stephan Kramer: Wenn man bedenkt, dass vor mehr als fünf Jahren das Gesetz „Cannabis als Medizin” in Kraft getreten ist, sollte die Akzeptanz heute um einiges höher sein. Dafür lassen sich mehrere Faktoren ausmachen: Das beginnt damit, dass Cannabis über 60 Jahre lang als eine geächtete Droge dämonisiert wurde. Da hallt die Geschichte sehr stark nach. Auch stellen wir fest, dass Patientinnen und Patienten, die Cannabis zur Behandlung anfragen, immer noch belächelt werden: Sie würden doch nur ihren Konsum legalisieren wollen. Dabei ist Cannabis schon seit vielen tausend Jahren als sicheres und wirkungsvolles Arzneimittel bekannt. Die Akzeptanz könnte mit weniger prohibitiven Verschreibungsanforderungen steigen: Ärztinnen und Ärzte, die Cannabis verschreiben möchten, sehen sich in Sachen Kostenübernahme extrem hohen Hürden ausgesetzt.

Sie haben das Gesetz „Cannabis als Medizin” angesprochen: Was benötigt es nun, um eine nachhaltige Versorgung gewährleisten zu können?

Die Versorgungssituation korreliert immer mit den bestehenden Regularien: Was gibt die Politik vor? Wie darf Cannabis angebaut werden? Was müssen Apotheken und die Ärzteschaft beachten? Was die Branche für eine umfassende Versorgung benötigt, sind nachhaltige Unternehmen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Einen besonders negativen Einfluss auf die Versorgung hat die derzeit herrschende „pump and dump”- oder „Green Rush”-Mentalität. Gemeint ist der Gedanke, dass jede Eröffnung eines Cannabis-Geschäfts die Lizenz zum Gelddrucken sei. Dies ist ein Irrglaube und trägt langfristig auch nicht zu einer besseren Versorgungssituation bei. Ziel ist es daher, ein medizinisches Produkt herzustellen, auf das sich Patientinnen und Patienten verlassen können.

Beim Blick auf die abgegebenen Cannabis-Einheiten von gesetzlichen Krankenkassen fällt in den vergangenen Jahren ein Aufwärtstrend auf: Ist das Thema bei der Ärzteschaft angekommen?

Wir sehen, dass sich beispielsweise angehende Ärztinnen und Ärzte in ihren Vorlesungen mit dem Thema Cannabis beschäftigen. Dass man sich in der Fachschaft auf der Ausbildungsseite damit auseinandersetzt, ist genau der richtige Schritt. Wir setzen auch auf die Aufklärung und Unterstützung der Ärzte- und Apothekerschaft. Deshalb halten wir für jeden ein breites Angebot an unterstützenden Dokumenten bereit. Das fängt bei Verschreibungsleitfäden oder Patiententagebüchern an und hört bei anwaltlich geprüften Patientenaufklärungsbögen auf.

 

 


Medizinalcannabis: Wirkung, Einsatzgebiete, Darreichungsform

Für medizinische Zwecke kommen die getrockneten Blüten und Blätter der weiblichen Cannabispflanze zum Einsatz. Während der Inhaltsstoff Tetrahydrocannabinol (THC) schmerzlindernd und entspannend wirkt, besitzt Cannabidiol (CBD) wiederum angstlösende und antientzündliche Eigenschaften. Das therapeutische Spektrum ist umfangreich: So kann Cannabis etwa bei chronischen neuropathischen Schmerzen, Multipler Sklerose sowie Übelkeit und Erbrechen hilfreich sein. Medizinalcannabis wird inhalativ oder oral (Kapseln oder Tropfen) eingenommen.


 

Mit der HEYDAY AG möchten Sie sich im wachsenden Markt stark positionieren: Aus welcher Motivation heraus kam es im Jahr 2019 zur Gründung?

Zum ersten Mal in der Geschichte haben wir den Fall, dass eine Droge zur Medizin wird – und nicht andersherum. Dieses Novum hat mich fasziniert, sodass ich meine zuvor eher ablehnende Haltung gegenüber Cannabis komplett revidieren musste. Wenn aufgrund rechtlicher Voraussetzungen quasi „über Nacht” eine neue Industrie entsteht, fällt auch die lange Anlaufzeit für eine Innovation weg. Wie oft hat man die Möglichkeit, von Anfang an bei solch einer Entwicklung ganz vorne mit dabei zu sein? Zudem macht es Spaß, gegen Ressentiments anzukämpfen.

Welche Schritte folgten dann? Sicher galt es einige Auflagen zu erfüllen, auch, um eine eigene Lagerstätte einrichten zu können …

Etwa 80 Prozent der Marktteilnehmer nehmen gewissermaßen die Rolle eines Maklers ein. Makler, die die Ware nie selbst in Empfang nehmen, sondern Drittanbieter benötigen, die den Versand abwickeln. Je tiefer aber ein Unternehmen im Markt integriert ist, desto aufwändiger und kapitalintensiver wird es. Diese Herausforderung war uns im Gründerkreis bewusst, weshalb wir alles auf eine langfristige Strategie ausgerichtet haben. Dazu gehören eben auch eigenes Fachpersonal, eigene Lizenzen für das Inverkehrbringen als pharmazeutischer Unternehmer und die eigene BtM-Logistik-Lizenz mit einem der größten Cannabis-Tresoren in Deutschland.

Die therapeutischen Möglichkeiten von Cannabis sind sehr umfangreich. Inwiefern stellt der Ruf einer illegalen Droge diese Wirksamkeit aktuell in den Schatten?

Noch ist es so, dass der Ruf der Droge den Ruf einer Arznei eindeutig überschattet. Aber: Zwischen Medizinalcannabis und dem Cannabis „von der Straße” liegt ein himmelweiter Unterschied. Ohne Detailwissen ist dieser jedoch nur schwer zu erahnen. Illegale und medizinische Pflanzen werden aus den gleichen Samen gezogen; das ist aber neben dem Namen für die Sorte auch die einzige Gemeinsamkeit. Anbau, Dokumentation und sämtliche Prüfungen laufen im medizinischen Bereich unter den strengsten Maßnahmen ab. Nicht selten kommt es zudem vor, dass die illegalen Produkte verunreinigt sind oder eine katastrophale Mikrobiologie aufweisen. Mit dem Gesetz „Cannabis als Medizin” wurde der Startschuss zur Rehabilitation einer bewährten Heilpflanze gegeben. Der Ruf von Medizinalcannabis wird sich in den nächsten Jahren erheblich verbessern.

Die HEYDAY AG hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit einem breitgefächerten Portfolio eine sichere Versorgungssituation zu gewährleisten: Welche Produkte können Sie nennen?

Wir versorgen bereits Apotheken von Sylt bis Rosenheim mit Cannabisblüten, Cannabisextrakt und Dronabinol. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, in unseren Apotheken jede zugelassene Form von Cannabis liefern zu können. Wichtig ist uns jedoch, dass wir als starke Partner auch qualitativ kontrollieren, welche Produkte wir anbieten. Unsere Cannabis-Linie 101-C bietet die höchste Qualität mit einem kontinuierlichen Standard – und das zum fairsten Preis im Markt. Das können wir nur so anbieten, weil wir als pharmazeutischer Unternehmer das Steuer der kompletten Lieferkette in der Hand halten und verantwortlich sind. Unser 101-C-Extrakt mit 50 mg/THC ml stellt beispielsweise einen Standard für die Cannabis-Branche dar. Weitere Extrakt-Varianten und Cannabisblüten folgen mit diesem Konzept zeitnah.

Viele Unternehmen importieren eher kleine Mengen an Cannabisblüten aus den Niederlanden …

… denn das niederländische Cannabis ist immer noch der Motor und Maßstab bei den Verschreibungen in Deutschland. Gute Produkte mit einer sehr hohen Konstanz sowie einer sehr guten Lieferfähigkeit. Aufgrund einer politischen Vereinbarung zwischen den Niederlanden und Deutschland ist jedoch zu wenig dieser Ware vorhanden – das Importvolumen ist gedeckelt. Auch existieren hierzulande mittlerweile zu viele Marktteilnehmer mit einer Handelslizenz, die allesamt einen Teil dieser vereinbarten Menge erhalten.

Die HEYDAY AG setzt auf einen Anbau aus Portugal. Können Sie die Vorteile nennen?

Viele Länder und Hersteller können Vieles gut – aber eben nicht alles. Das jedoch war und ist unser Anspruch. Wir arbeiten nur in Ländern, wo die rechtlichen Rahmenbedingungen sehr vorteilhaft sind, und es auch aus ökologischen Gesichtspunkten Sinn ergibt, Cannabis anzubauen. Bei diesen Überlegungen kann man gut und gerne in Europa bleiben. So sind wir nun seit vielen Monaten mit einem portugiesischen Unternehmen verbunden und entwickeln behutsam eine nachhaltige Lieferkette für den deutschen Markt.

Politische Debatten drehen sich um die Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis: Könnte eine kontrollierte Abgabe die Akzeptanz von medizinischem Cannabis erhöhen?

Ich befürchte, dass die meisten Unternehmen in der Branche nach einer Legalisierung postwendend auf den Freizeitmarkt springen werden. Denn dieser wird um ein Vielfaches anwachsen, ebenfalls „über Nacht”. Das geschieht dann zum Leid der Patientinnen und Patienten, und vor allem zum Nachteil der weiteren Forschung im Medizinalcannabis-Segment. Die Gefahr ist daher groß, dass bei einer Freigabe die Akzeptanz als Medizin sogar sinkt. Denn Medizin hat immer einen seriösen Charakter, das passt nicht mit etwas zusammen, das genau so auch im Freizeitbereich erhältlich ist.

Welche Lösungsansätze sehen Sie?

Zum einen muss weiterhin Forschung betrieben werden, damit die wunderbaren Heilkräfte auf das menschliche System entschlüsselt werden. Zweitens muss der Zugang zu Medizinalcannabis vereinfacht werden, damit Patientinnen und Patienten nicht aus Scham oder bürokratischen Hürden auf den legalisierten Freizeit- oder gar illegalen Markt ausweichen müssen. Und letztlich muss sich Medizinalcannabis klar von Freizeitcannabis unterscheiden. Etwa durch Wirkstoffgehalt oder Anforderungen an die Mikrobiologie.

Wie gestaltet sich Ihr Blick in die nahe Zukunft?

Ein gutes Produkt allein bringt noch gar nichts. Aus diesem Grunde hat die HEYDAY AG eine umfangreiche Dokumentensammlung zur Therapieunterstützung, Antragstellung, Apothekenabgabe, Verschreibungspraxis sowie zur Patientenaufklärung aufgebaut. So kann selbst bei einer Erstverschreibung nichts schiefgehen. Leider sehen wir jedoch noch nicht die ein bis zwei Prozent der Deutschen, die mit Medizinalcannabis behandelt werden könnten, so, wie es einst das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte prognostiziert hat. Ich bin der Meinung, dass Cannabis fortschreitend zur alternativen Behandlung, aber auch als „first choice” in der Behandlung Einzug halten wird. Wir stehen erst am Anfang einer grünen Revolution und Cannabis wird ein Teil davon sein.

heyday.de

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