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Regal mit Vorräten

Auf jedes Szenario vorbereitet

Vorbereitet für den Notfall: In Krisenzeiten füllen sich vielerorts die Regale. Nudeln und Konserven waren zu Beginn der Corona-Pandemie heiß begehrt. Foto: © Roberto Schirdewahn
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Der Notfallrucksack ist jederzeit gepackt, die Vorratskammer bis zur Decke gefüllt: Anhänger der sogenannten Prepper-Szene bereiten sich mithilfe individueller Maßnahmen auf ganz unterschiedliche Katastrophenszenarien vor. Für nicht wenige zählt dazu auch der Besitz von Schutzkleidung, entsprechenden Werkzeugen oder gar Waffen. Der Sozialwissenschaftler Mischa Luy erforscht derzeit die Szene im Rahmen seiner Promotion, führte hierzu Interviews mit deren Mitgliedern, und stellt fest: Aktuelle Krisen fördern auch in der breiten Gesellschaft ein verstärktes Bedürfnis nach Sicherheit.

Preppen hat seinen Ursprung in den USA: Können Sie die Entstehung des Phänomens ein wenig nachzeichnen?

Mischa Luy: Da lassen sich zwei historische Stränge ausmachen. Zum einen wäre da der Survivalism, eine Wissensformation, die eher von trainierbaren Techniken für ein Überleben in der Wildnis gekennzeichnet ist. Das geht zurück bis in die Zeit des Kolonialismus, als sich westliche Reisende einer für sie fremden Flora und Fauna gegenübersahen und daher schrittweise ein Überlebenswissen erlangen mussten. Dieses wurde anschließend in einer neuen literarischen Gattung, dem Reise-Manual, zusammengefasst. Später erhielt dieses Vorgehen Einzug ins Zivile – man denke etwa an die Pfadfinder oder Wandervögel.

Und der zweite Strang?

Dieser bildet die Idee der „Preparedness” ab, verankert vor allem im Kalten Krieg: Wie ist mit einem drohenden Atomkrieg umzugehen? Wie macht man die Gesellschaft resilient? Die Idee dahinter ist also nicht die Verhinderung eines Geschehens, sondern der entsprechende Umgang mit den negativen Folgen eines Ereignisses. So tauchte damals auch erstmals die Idee auf, in Eigenregie Bunker zu errichten – teils staatlich subventioniert. Hier finden sich rückblickend die größten Ähnlichkeiten zum heutigen Prepper-Dasein.      

Hierzulande lassen sich die Anfänge der Szene ab dem Jahr 2010 ausmachen – mit welcher Entwicklung?

Besonders nach Ausbruch der Corona-Pandemie hat das Thema massiv an Popularität gewonnen, das macht sich auch bei den Mitgliederzahlen in entsprechenden Foren bemerkbar. Da ist die Prognose, dass sich dies im Zuge der sich anbahnenden Energiekrise weiter verstärkt, alles andere als gewagt. Solch gesellschaftliche Krisen bereiten aktuell vielen Menschen eine starke Verunsicherung.

Aus welchen (weiteren) Motiven heraus entsteht bei Preppern der Wunsch, sich mit Waren des täglichen Bedarfs in großem Maße zu versorgen?

Bei vielen Menschen spielen da biografische Hintergründe mit hinein. Manch einer bezieht sich etwa auf großelterliche Mangelerfahrungen nach dem Krieg und die daraus resultierende Vorratshaltung. Man wurde schlichtweg so sozialisiert. Bei anderen wiederum waren besonders prägende Erlebnisse der Ursprung: Menschen, die eine längere Zeit festgesetzt auf der Autobahn verbringen mussten. Bundeswehrsoldaten, die in Afghanistan stationiert waren. Tatsächlich habe ich auch einen Menschen interviewt, der 2016 den Terroranschlag in Brüssel miterleben musste. Manchmal reicht aber bereits ein längerer Stromausfall aus, um sich für künftige Notfälle absichern zu wollen. Letztlich spielen gesellschaftliche und individuelle Faktoren eine Rolle.  

Beim Preppen geht es aber nicht nur darum, den Vorratsschrank aufzufüllen, oder?

In der Tat herrscht da eine äußerst große Bandbreite. Die einfachste Form bewegt sich in Qualität und Quantität etwa auf dem Level, was auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt – also Vorräte für einen Zeitraum von 10 Tagen anzulegen. Andere Prepper hingegen möchten komplett autark leben, sich selbst versorgen und eine Art Subsistenzwirtschaft betreiben.  Da wird großzügig Gemüse im Garten angebaut, es existieren Generatoren, Sonnenkollektoren, Wasserfilteranlagen und große Treibstofftanks. Das schließt Katastrophenszenarien von bis zu einem Jahr und länger ein.

Geht man von einer vierköpfigen Familie aus, klingt das recht kostspielig …

… was kein unwichtiger Gesichtspunkt ist, zumal es sich bei Preppern keineswegs nur um verschrobene Einzelgänger handelt. So argumentieren einige vielmehr mit einem sehr starken Fürsorgemotiv und geben beispielsweise die Geburt des eigenen Kindes als Grund für ihr Handeln an. Die Personen, die ich interviewen durfte, haben nicht dem Klischee des soziophoben Sonderlings entsprochen. Sicherlich gibt es diese aber auch in der Szene.

Was hat Sie motiviert, sich 2017 erst in Ihrer Masterarbeit und später auch im Rahmen Ihrer Promotion mit der Thematik auseinanderzusetzen?

Das basierte auf der Wahrnehmung, dass es bereits damals eine sehr breite gesellschaftliche Beschäftigung mit Endzeit-, Katastrophen- und Apokalypse-Szenarien gab. Viele Serien, Filme und auch Computerspiele behandelten diese Themen; einige Reality-TV-Formate rückten den Survivalism-Aspekt in den Fokus. Es war also eine gewisse Faszination dafür zu erkennen, gepaart mit dem verbreiteten Gefühl, in unsicheren Zeiten zu leben. Hinzu kam die Tatsache, dass die Forschungslage dahingehend in Deutschland sehr dünn war.

Sie haben dann Prepper in einschlägigen Foren kontaktiert, um diese zu befragen. Wie ließ sich deren Vertrauen gewinnen? 

Ich denke, der Wissenschaftler hat den Vorteil, dass ihn noch eher der Nimbus des Objektiven umgibt. Während Medienvertretern da oft Misstrauen entgegenschlägt – aus Sorge, falsch dargestellt oder gar kriminalisiert zu werden – hatten in meinem Fall die angesprochenen Personen eher das Gefühl: „Da will jemand wirklich etwas von mir wissen. Da können wir vielleicht auch etwas richtigstellen.” Auch ich musste mich zu Beginn erklären und meine Motive ausführen, dann aber kam es zu den Treffen.

Was haben Sie daraus mitgenommen?

Ich empfand es als sehr spannend, welch unterschiedliche Herangehensweisen in dieser Szene existieren. Das reicht vom sogenannten „bug in”, also dem Einigeln in den eigenen vier Wänden, bis hin zur „bug out”-Strategie, was dazu führt, dass manche sich in die Wildnis begeben, andere wiederum ganz stark auf Technik oder das Erlernen gewisser Überlebenspraktiken setzen. Ebenso interessierten mich die bereits erwähnten biographischen Momente sehr.

Wo, würden Sie sagen, verlaufen die Grenzen zwischen sinnvoller Krisenvorsorge, Misstrauen in den Staat und Verschwörungserzählungen?

Das begünstigt sich teilweise: Es gibt Teile der Prepper-Szene, bei denen durchaus Überschneidungen mit dem Querdenkermilieu, teilweise gar mit der Reichsbürgerszene existieren. Auch Verschwörungserzählungen finden statt. All diese erwähnten Gruppierungen eint ein starkes Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen – bis hin zu einer Ablehnung. Da stellt das Preppen eine attraktive Alternative dar, lassen sich so doch eigene Parallelstrukturen aufbauen. Man wird selbst zum Experten. Viele Szenemitglieder entstammen mindestens konservativen Kreisen, dennoch existiert ein sehr weites Spektrum.

Manch einer sorgt für wenige Wochen vor, andere wiederum absolvieren regelmäßige Notfallübungen. Besteht die Gefahr, sich in solch einem Sicherheitsdenken zu verlieren?

Das Potential dafür ist durchaus gegeben: Da beginnt jemand vielleicht im Kleinen, setzt sich dann fortwährend und exzessiv mit der Thematik auseinander, und im Laufe dieser Beschäftigung tauchen immer wieder neue „Gefahren” auf, die eine weitere Vorbereitung verlangen. In extremen Fällen leidet dann das Sozialverhalten, etwa dann, wenn größere Veranstaltungen wie Konzerte oder Weihnachtsmärkte aus Angst vor Terroranschlägen gemieden werden. Ein Interviewpartner berichtete mir davon, dass er beim Verlassen des Hauses jederzeit einen komplett gepackten Notfallrucksack mit sich trägt – auch auf Familienfeiern.

Das verstärkte Bedürfnis nach Absicherung ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie in der breiten Gesellschaft angekommen. Ist eine „milde Form” des Preppens mittlerweile „Mainstream”?

Ich kann mir vorstellen, dass vor allem die fortlaufenden Auswirkungen des Ukraine-Konflikts die gesellschaftliche Verankerung dieser Thematik weiter forcieren. Klar ist: Die Jahrzehnte vor den beiden genannten Ereignissen waren selten von einem starken Mangel geprägt; eher die Generationen davor sahen sich solchen Erfahrungen ausgesetzt. Da muss sich manch einer gegenwärtig in der Tat umstellen. Ich möchte jedoch gar keine Bewertung vornehmen, ab wann es sich um eine problematische Form des Preppens handelt. Wichtig ist, dass es weiterhin ein solidarisches Verhalten gibt. Dass versucht wird, auch in Krisen- und Katastrophenzeiten ein prosoziales Verhalten an den Tag zu legen.

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