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„Die Anzahl der niedergelassenen Rheumatologen reicht bei weitem nicht aus”

„Die Anzahl der niedergelassenen Rheumatologen reicht bei weitem nicht aus”

Foto: © Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V.
Portratitfoto des Artikel-Autors Robert Targan
Von ROBERT TARGAN (Freier Texter, Autor & Redakteur)
5 Min.Lesezeit

Um eine effiziente Versorgung von Rheumaerkrankten garantieren zu können, benötigt es für die Arbeitsbedingungen in dieser medizinischen Fachrichtung nachhaltige Verbesserungen. Der Berufsverband Deutscher Rheumatologen e.V. (BDRh) setzt sich für die Belange der rheumatologisch tätigen Ärztinnen und Ärzte ein und möchte gleichzeitig junge Medizinstudierende für das Fach begeistern. Denn: Die Gesamtzahl von Betroffenen mit muskuloskelettalen Erkrankungen addiert sich hierzulande auf mittlerweile über 18 Millionen – bei nur rund 680 niedergelassenen internistischen Rheumatologen. BDRh-Geschäftsführerin Dipl.-Phys. Sonja Froschauer über die Forderungen und Ziele des Verbands.

Der BDRh engagiert sich für die Belange rheumatologisch tätiger Ärztinnen und Ärzte – welche Bereiche schließt das mit ein?

Sonja Froschauer: Das ist natürlich sehr breit gefächert, lässt sich aber grob in drei zentrale Bereiche zusammenfassen. Zum einen sind wir sehr aktiv in der Verhandlung besonderer Versorgungsverträge mit den Krankenkassen, um die Regelversorgung zu ergänzen und die Rahmenbedingungen für eine leitliniengerechte rheumatologische Versorgung zu verbessern. Darüber hinaus hat sich seit 2019/2020 der Schwerpunkt „medizinische Dokumentation” ergeben – hier hatten wir bereits seit vielen Jahren eine entsprechende Software im Angebot, die nun komplett neu gestaltet wurde. Es besteht eine enge Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), mit dem Verband Rheumatologischer Akutkliniken (VRA) sowie dem Deutschen Rheumaforschungszentrum (DRFZ), um die Software als zentrales Dokumentations-Tool zu etablieren.

Und der dritte Bereich?

Dieser umfasst die klassische Berufspolitik und somit die Frage, wo gesundheitspolitische Regelungen zu Problemen führen. Hier gilt es, den Gesetzgeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss und die Kassenärztliche Bundesvereinigung entsprechend zu adressieren, um Verbesserungen zu erreichen.

Solch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen kommt automatisch auch der Patientenversorgung zugute – welche Aufgaben sind hier am dringlichsten?

Das zentrale Thema ist bei uns die Unterversorgung – wir haben hierzulande deutlich zu wenige Rheumatologinnen und Rheumatologen. Je früher eine Diagnose gesichert und eine adäquate Therapie eingeleitet wird, desto besser die Prognose für Betroffene. Der bestehende Ärztemangel aber führt zu teils exorbitanten Wartezeiten! Hinzu kommt: Befindet sich die Patientin oder der Patient dann in einer rheumatologischen Behandlung, muss dafür gesorgt sein, dass die Betreuung entsprechend der Leitlinie auch finanziell tragfähig ist. Das ist ein Punkt, den wir in Selektivverträgen mit einigen Kassen bereits gut abbilden konnten. Priorität genießt aktuell aber tatsächlich das Handlungsfeld „ärztlicher Nachwuchs”.

Können Sie diese Problematik vertiefen?

Das beginnt damit, dass etwa Rheumatologinnen oder Rheumatologen ihre Praxis abgeben möchten und keine Nachfolge finden. Daran schließt die Patientenfrage an: „Finde ich einen Facharzt, der mich in einer akzeptablen Wartezeit aufnimmt – und nicht erst in sechs bis neun Monaten?” Da die Anzahl der momentan zugelassenen Rheumatologinnen und Rheumatologen bei weitem nicht ausreicht, wurde bei der Neugestaltung der Bedarfsplanung vor einigen Jahren eine Mindestquote für die internistische Rheumatologie eingeführt – das war ein erster Erfolg. Hier wird es allerdings notwendig sein, diese Quote weiter zu beobachten und gegebenenfalls anzupassen …

… und weiterhin im Gespräch mit Entscheidungsträgern zu bleiben?

Genau, denn aufgrund der Tatsache, dass wir hier von einem kleinen Fach sprechen, sind nicht zu jedem Zeitpunkt in jeder Region niederlassungswillige Nachwuchskräfte vorhanden. Wird ein neuer Sitz ausgewiesen oder möchte jemand aus Altersgründen eine Nachfolge besetzen, ist es problematisch, wenn dann nach einem verstrichenen Jahr der Sitz für die Rheumatologie letztlich dauerhaft verloren geht und außerhalb des Fachs besetzt wird. Hier befindet sich der BDRh im Dialog mit der Gesundheitspolitik, um beispielsweise auf die Notwendigkeit längerer Sperrfristen und mehr räumlicher Flexibilität aufmerksam zu machen.

Wo könnten für junge Menschen denn die Reize liegen, sich für das Fachgebiet der Rheumatologie zu entscheiden?

Gemeinsam mit der DGRh und dem VRA engagieren wir uns in der Kampagne rheuma2025.de, um das Thema des Nachwuchsmangels breiter anzugehen. Als zentrales Problem sehen wir dabei die Tatsache an, dass die Rheumatologie als Fach im Medizinstudium nur eine ganz geringe Rolle spielt: Die Studierenden belegen lediglich rund 14 Stunden Rheumatologie im Zuge ihrer medizinischen Ausbildung. Weiter existiert ein gewisses Zerrbild bezüglich der Erkrankung, wird sie doch oft mit gebrechlichen, älteren Menschen assoziiert. Das Fachgebiet hat sich aber durch das breite Spektrum an Therapiemöglichkeiten wahnsinnig gewandelt, sodass auch Betroffene im mittleren und jungen Alter – die längst keine Ausnahme sind – bestens versorgt werden.   

Auch existiert oftmals der Irrglaube, bei der Erkrankung seien nur die Gelenke betroffen.

Viele der jungen Studierenden haben tatsächlich vordergründig nur die rheumatoide Arthritis vor Augen. Wenn sich ein angehender Mediziner an seiner Universitätsklinik tatsächlich mal in die Rheumatologie „verirrt”, dann sieht er natürlich das klassische stationäre Spektrum – Patienten mit akutem Schub, schwere Fälle. Mit der Kampagne rheuma2025.de möchten wir daher verdeutlichen, dass die Rheumatologie aufgrund der erwähnten Therapiefortschritte mittlerweile aber ein ambulantes und sehr vielfältiges Fach geworden ist.

Welche weiteren Ziele verfolgt der BDRh?

Im vergangenen Jahr wurde zum Beispiel ein Programm zum Thema „Förderung von Famulaturen in niedergelassenen Praxen” aufgelegt. Heißt, wir rekrutieren Praxen, die bereit sind, Famulantinnen und Famulanten bei sich aufzunehmen und vier Wochen zu betreuen. Dabei bieten wir den werdenden Ärztinnen und Ärzten eine kleine Förderung an. Von den ersten Teilnehmenden haben wir begeisterte Rückmeldungen erhalten – die Rheumatologie würde sie mitunter an die Fernsehserie „Dr. House” erinnern, müsse man doch bei der Diagnose nahezu detektivisch vorgehen. Das Spektrum, das in einer ambulanten Praxis existiert, finden die Famulantinnen und Famulanten absolut klasse – sie müssen es halt nur erst einmal kennenlernen. Diese Botschaft möchten wir vermitteln.

Welche Fertigkeiten und Interessen sollten potentielle Rheumatologinnen und Rheumatologen für diese Fachrichtung mitbringen?

Aufgrund der Schnittstellen zu anderen Fachrichtungen wird Teamwork besonders großgeschrieben. Dank des Behandlungsangebots der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) verfügen wir in der Rheumatologie ja über ein Paradebeispiel für die enge Zusammenarbeit von Kolleginnen und Kollegen, etwa aus der Dermatologie oder der Nephrologie. Diese Netzwerkverbünde haben in der Rheumatologie ganz rasant Einzug gehalten. Neugier und Lust auf ein vielfältiges Fach sollten ebenfalls nicht fehlen. Da es sich um eine planbare Tätigkeit mit langjährigen Arzt-Patient-Beziehungen handelt, vernehme ich von Rheumatologinnen und Rheumatologen vor allem in der Niederlassung, dass es sich um ein besonders befriedigendes Fach handelt.

bdrh.de

 

Kampagne rheuma2025.de

Der Zusammenschluss Bündnis für Rheumatologie vereint die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V., den Berufsverband Deutscher Rheumatologen sowie den Verband Rheumatologischer Akutkliniken. Ziel ist es, in der Kampagne rheuma2025.de die gemeinsamen Kräfte zu bündeln, um die rheumatologische Therapie von Millionen Patientinnen und Patienten heute und auch künftig zu sichern. Der aktuell bestehende Mangel an Nachwuchskräften verursacht alarmierende Missstände in der Versorgung von Patientinnen und Patienten.

rheuma2025.de

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Ausgabe: 04/2021

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